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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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abendliche Atmosphäre "so ein bisschen wie früher im Schulland-heim". Jedenfalls bis zu jenem<br />

Augenblick, <strong>als</strong> Unteroffizier Jürgen Bethke, mit Bierpulle und P-38Pistole bewaffnet zu ihnen<br />

stieß. Großzügig bot der 24jährige Bethke "seinen Jungs", wie er sie oft unter starkem<br />

Alkoholeinfluss nannte, den Restaufschnitt vom Abendbrot an. Allerdings nur, wenn man sich bei<br />

ihm persönlich Salami und Schinken abholen würde. Dies wurde für den 20jährigen Betonmauer<br />

Wilfried Klauber zum Verhängnis. Als der arglose Klauber vor seinem angetrunkenen Unteroffizier<br />

stand, hatte dieser den Aufschnitt schon hastig heruntergewürgt. Statt dessen fischte er sich das<br />

Schiffchen des Rekruten und schmiss es ins Feuer. Nunmehr wollte sich Klauber das Schiffchen<br />

des Vorgesetzten angeln. Zunächst schwankte der Unteroffizier noch tänzelnd hin und her, zog<br />

dann aber blitzartig seine Pistole. Zeuge Steinert: "Erst hantierte Bethke mit dem Ding in der<br />

Gegend herum, nahm eine Patrone aus dem Magazin, zeigte sie uns stolz, steckte sie darauf wieder<br />

ein. Ich sah, wie Bethke aus zweieinhalb Metern Entfernung einen Schuss auf den hilflosen<br />

Klauber abfeuerte."<br />

Auf dem morastigen Übungsplatz Hohensasel kam keiner auf die Idee, einen<br />

Rettungshubschrauber zu rufen. Bloß keine Feldjäger, Zeit gewinnen hieß die Devise. Minuten um<br />

Minuten verstrichen. Als der Krankenwagen, ein geländeuntüchtiger Ford Transit, der mehrere<br />

Male im Sumpf stecken blieb, endlich Hohensasel erreicht hatte, lag keine Bierflasche mehr herum.<br />

Selbst der inzwischen angekommene Kisten-Nachschub aus dem Gasthof "Gut Rantzau" war<br />

eiligst vergraben worden. "Alle waren wie genervt", erinnert sich Steinert. "Vor allem, <strong>als</strong>o noch so<br />

ein paar Kopflose den schwerverletzten Klauber f<strong>als</strong>ch herum in den Krankenwagen schoben."<br />

Erst gegen 23 Uhr klingelt bei der Familie Klaubert in Oberhausen das Telefon. Am<br />

Apparat die Universitätsklinik Kiel: "Bitte kommen Sie sofort. Ihr Sohn ist angeschossen worden.<br />

Er wird den nächsten Tag wohl nicht mehr überleben."<br />

Unterdessen hat Hauptmann Rommel, der in Zivil in die Kaserne geeilt war, das bereits<br />

zurückgekehrte 8. Bataillon im Unterrichtsraum versammelt. "Der Zustand ist nicht<br />

lebensgefährlich, sondern lediglich lebensbedrohlich", bemerkt der Hauptmann beschwichtigend.<br />

Gleichzeitig ermahnt Rommel seine Sprösslinge: "Machen Sie Ihren Dienst so wie bisher, und<br />

gehen Sie Ihren Pflichten weiterhin gewissenhaft nach." Das war die erste und auch die letzte<br />

Verlautbarung, die den Soldaten in Sachen ihres Kameraden Klaubers mitgeteilt wurde.<br />

Fünf Tage rang Wilfried Klauber auf der Intensivstation der Kieler Universitätsklinik mit<br />

dem Tode. Als er ihm schließlich getrotzt hatte, wurde dem 20jährigen zur Gewissheit, dass er<br />

querschnittsgelähmt sein Leben lang an einen Rollstuhl gefesselt bleiben würde. Klauber ist kein<br />

Einzelfall.<br />

346<br />

• In Leck bei Flensburg versetzte der stellvertretende Kommodore vom<br />

Aufklärungsgeschwader 52, Gerhard Ladewig, nachts um 2.50 Uhr zweitausend<br />

Soldaten, Beamte und Arbeiter in den Nato-Ernstfall. Piloten liefen in ihre<br />

Staffelunterkünfte, Sicherungssoldaten bezogen Stellungen, Stahltüren der<br />

Betonschutzbunker wurden geöffnet und die schweren Phantom-Aufklärer ins Freie<br />

geschleppt. Über eine halbe Stunde saßen 18 Piloten und Kampfbeobachter<br />

angeschnallt in ihren Maschinen, Feuerwehren hatten sich postiert, Wetterfrösche<br />

registrierten Wind- und Sichtbedingungen, Radarspezialisten beobachteten ihre<br />

Schirme, die ersten Urlauber wurden zurückgerufen, Befehlstand war jedoch nicht die<br />

Kaserne, sondern die Dorfkneipe "Kupferkanne". Dort hatte Oberstleutnant<br />

Ladewig eine Nacht mit Freunden durchgezecht. Per Telefon gab er lallend das

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