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102<br />

die Begründung einer effizienten Wissenschaft von der Geschichte gelegt war 85 .Es<br />

reichte nun nicht mehr, empirisch verbürgte Daten aufzulisten oder eine<br />

Herrschergeschichte annalistisch darzustellen, der Wandel zur narrativen<br />

Geschichtsschreibung mußte vollzogen werden. Die Frage nach der<br />

Wissenschaftlichkeit der Geschichtsschreibung Gadebuschs wirft zugleich auch das<br />

Problem der Darstellung in ihrem Verhältnis zu seiner Forschungstätigkeit auf. Mit<br />

Überlegungen, ob die Darstellung Teil eines wissenschaftlichen Arbeitsprozesses ist<br />

oder vielmehr auf Prinzipien beruht, die möglicherweise sogar dem Ideal der Wissenschaftlichkeit<br />

entgegen stehen, berührten die Historiker des achtzehnten Jahrhunderts<br />

ein wesentliches Element im Prozeß der Verwissenschaftlichung der Historie.<br />

Um dieses Verhältnis bei Gadebusch bestimmen zu können, ist es nötig, sich sein<br />

Verständnis des Terminus Wissenschaft zu verdeutlichen. Hierbei läßt sich eine Entwicklung<br />

des Begriffes von der Benennung beliebiger persönlicher Fähigkeiten zu<br />

einer individuellen Gelehrtheit feststellen. An dem livländischen Adligen Johann<br />

Reinhold Patkul werden ganz allgemein „[s]eine tiefen Einsichten, seine<br />

Wissenschaften und Gaben“ 86 gelobt, ebenso an dem polnischen König Sigismund<br />

August. Fürsten und Herrscher zeichnen sich dadurch aus, daß sie selbst Einsichten<br />

in grundlegende Wissenschaften besitzen und sich als Förderer der allgemeinen<br />

Wissenschaft auszeichnen, indem sie Schulen und Universitäten gründen und<br />

unterhalten. Weiterhin verwendet Gadebusch den Terminus in der ‘Bibliothek’, um<br />

generell akademisch erworbene Gelehrtheit zu charakterisieren. Dabei unterteilt er<br />

zeittypisch in „schöne“ und „nützliche“ Wissenschaften. Unter nützlichen<br />

Wissenschaften subsumiert er Medizin, Jura und die Theologie 87 , die schönen<br />

werden nicht gesondert benannt. Den Begriff der Bildung benutzt Gadebusch in zwei<br />

verschiedenen Bedeutungen: zum einen in einer naturphilosophisch-organischen<br />

Richtung - als ursprüngliche - die das Körperliche und Sinnliche bezeichnet und in<br />

einer ästhetisch-humanistischen Variante, die die geistige Entwicklung des<br />

Menschen umfaßt; so ist der schwedische König „von einer anmuthigen Bildung“ 88 .<br />

85<br />

Vgl. G. Iggers, Neue Geschichtswissenschaft, S. 22: „Geschichte wurde erst dann zur<br />

„Wissenschaft“, als der Graben zwischen antiquarischem Interesse und dem Schreiben von Geschichte<br />

überbrückt war.“<br />

86 Gadebusch, Jahrbücher III2, S. 526; zu Sigismund August: „Man lobete seine gute Gestalt, seinen<br />

durchdringenden Verstand, seine Wissenschaften [...]“, Jahrbücher II1, § 74, S. 151.<br />

87 Vgl. Gadebusch, Bibliothek, Bd. 3, S. 300 u. 2, S. 46; in dem Artikel zu dem kurländischen Dichter<br />

Johann von Besser wird das Hofzeremonialwesen als Wissenschaft bezeichnet; vgl. Bibliothek, Bd. 1,<br />

S. 62f.<br />

88 Gadebusch, Jahrbücher III1, § 23, S. 31.

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