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Download - Baltische Historische Kommission

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174<br />

5.) Die Bedeutung der Stände<br />

5.1.) Gesellschaftsordnung<br />

Die wesentlichen Elemente von Gadebuschs Gesellschaftslehre liegen in seinem Protest<br />

gegen die absolutistische Vereinheitlichung. Er zeigt sich anti-absolutistisch,<br />

anti-egalitär und bejaht die mittelalterliche ständische Ordnung Livlands, die ihm als<br />

Synonym für die beste gesellschaftliche Ordnung gilt und deren soziale Trennlinien<br />

Ansätze von identitätsstiftenden Grenzen politischer Organisation und Zugehörigkeit<br />

tragen. Sein Ziel ist es, die egalisierenden Maßnahmen der Zarin Katharina II. von<br />

Livland abzuwehren und die Entsprechung von Rechten und Pflichten der<br />

verschiedenen Stände in einer Landesherrschaft zu verdeutlichen. Der staatliche<br />

Rahmen gewährleistet ihm dabei die Beschränkung der Willkürherrschaft einzelner<br />

zugunsten der Freiheit aller.<br />

Das folgende Kapitel weist nach, daß Gadebusch dem Begriff „Staat“ ein anderes<br />

Konzept zugrunde legt als die Aufklärer. Für ihn ist der Staat die juristische Konkretisierung<br />

einer sittlichen Ordnungsmacht, die sich auf Basis des Nützlichkeitsanspruchs<br />

entwickelt hat. „Gesellschaft“ bedeutet ihm ein spezifisches Gefüge von<br />

Herrschaft, Sprache und Arbeit. Dabei setzt er sich nachdrücklich für die<br />

Wertschätzung und eigenen Rechte der niederrangigen Bürger in den livländischen<br />

Städten und der Bauern auf dem Land ein, da jedem Stand ein bestimmtes Maß an<br />

Ehre zukomme. Der Begriff des Standes erscheint als Dreh- und Angelpunkt seines<br />

Gesellschaftsbildes und wird sowohl in christlich-sozialem Sinn als auch zur<br />

Kennzeichnung eines politischen Ständetums Livlands gebraucht. Es wird nicht<br />

hinreichend deutlich, innerhalb welcher Grenzen Gadebusch das Bild eines ständisch<br />

regierten Landes entwerfen möchte, da er vielfach die ehemaligen Herzogtümer<br />

Estland und Livland vereint und in der Darstellung der mittelalterlichen Geschichte<br />

beider Länder nicht differenziert, um so den Eindruck einer relativen regionalen<br />

Geschlossenheit zu erwecken.<br />

Auf das Problem des historisch-politischen Regionalismus, das die baltische Geschichtsschreibung<br />

seit ihren Anfängen prägt, hat G. von Pistohlkors in einem<br />

Aufsatz hingewiesen, in dem er sich mit dem Problem der räumlichen Besonderheit<br />

der drei Ostseeprovinzen beschäftigt 1 . Ausgehend von den überholten Thesen D.<br />

1 Vgl. G. von Pistohlkors, Regionalismus als Konzept der baltischen Geschichte. Überlegungen zum<br />

Stand der Geschichtsschreibung über die baltischen Provinzen Rußlands im 19. Jahrhundert. In:<br />

Ders., Vom Geist der Autonomie. Aufsätze zur baltischen Geschichte, hg. M. Garleff, Köln 1995, S.<br />

21-41; zugrunde liegt der Regionalismusbegriff westlicher Ökonomen und Geographen, die eine

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