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befohlenen Anordnungen zur Versorgung der Regimenter in den Städten und auf<br />

dem Land erließ.<br />

Die Betrachtung der wichtigsten Privilegien der livländischen Städte verdeutlicht,<br />

daß die Autonomie der Stadtmagistrate durch eine großzügige Privilegierung in der<br />

polnischen und schwedischen Zeit eine ähnliche Stärkung wie die der Ritterschaften<br />

erfahren hatte. Für Gadebusch folgt aus der Handhabung der Stadtprivilegien, daß<br />

diese ein echtes Verfassungsrecht darstellen, das die politische und wirtschaftliche<br />

Autonomie der lokalen ständischen Herrschaftsgewalten gegenüber den<br />

landesherrlichen Gewalten abgrenzt und sichert.<br />

6.4.3.) Gewohnheitsrecht (Herkommen)<br />

Die Auseinandersetzung mit Gadebuschs Verständnis vom Gewohnheitsrecht als Basis<br />

des livländischen Landesrechts soll mit einem Blick auf die spezifische<br />

Terminologie in seinen Arbeiten beginnen. Der Begriff „Gewohnheitsrecht“ wird<br />

einerseits als Abbreviatur für jedwedes nichtgesetze Recht - d.h. als Beschreibung<br />

derjenigen Rechtsquellen gebraucht, die im Gegensatz zum positiven (d.h. staatlich<br />

gesetzten Recht), nicht in einem förmlichen legislatorischen Rechtsetzungsakt<br />

zustande gekommen waren - und andererseits zur Summierung allgemeiner aus den<br />

Bestimmungen des Römischen Rechts entwickelter Rechtssätze, die im Verlauf der<br />

Landesgeschichte einen Verbindlichkeitsanspruch in der Rechtsprechungspraxis<br />

erlangt hatten 84 . Das Gewohnheitsrecht - als Hauptkomponente des livländischen<br />

Rechts - wird von Gadebusch als Weg ausgewiesen, die Basis des Landesrechts in<br />

dem Herkommen 85 zu suchen. Grundlage einer Verbesserung des Rechtswesens ist<br />

nicht die Schaffung neuer Rechtssätze, sondern die Überprüfung der herkömmlichen<br />

nach ihrem tieferen Sinn und eine Interpretation unter Berücksichtigung der<br />

aktuellen historischen und sozialen Entwicklungen. In Gadebuschs Verständnis ist<br />

das Alter unentbehrliches Attribut des geltenden Rechts, so daß älteres Recht eo ipso<br />

besser als jüngeres ist und eine überpersönliche Überlieferung höher einzuschätzen<br />

ist als Neuerungen und persönliche Setzungen. Die Kontinuität eines Gesetzes, die<br />

83 Vgl. Gadebusch, Jahrbücher II2, § 272, S. 615; III1, § 153, S. 274.<br />

84 Im Gegensatz zu der gewohnheitsrechtlichen Theorie der Vertreter der historischen Rechtsschule<br />

schreibt Gadebusch dem Gerechtigkeitsempfinden des Volkes keine konstitutive Rolle zu, vgl. H.<br />

Kelsen, Reine Rechtslehre, Wien ²1960, S. 233.<br />

85 Der Begriff „Herkommen“ bezeichnet bei Gadebusch ein Tun, das sich nach dem durch langen<br />

Gebrauch Eingeführten richtet und im Zusammenhang zur Abstammung der Träger steht; vgl. die<br />

Definition einer der wichtigsten deutschsprachigen Realenzyklopädien im Übergang vom 18. zum 19.<br />

Jahrhundert, J.G. Krünitz, Oeconomisch-technologische Enzyklopädie, Th. 23, S. 55f.

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