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Download - Baltische Historische Kommission

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kulturelle Formungen wie Texte, Riten und Denkmäler manifestiert. Aus diesem<br />

Wissen kann die Gruppe ein Bewußtsein ihrer Einheit und Eigenart sowie normative<br />

und formende Kräfte ziehen, um Identität zu reproduzieren 5 . Eine Spielart des<br />

kollektiven Gedächtnisses ist nach J. Assmann das kommunikative Gedächtnis, das<br />

sich ausschließlich auf Alltagshandeln bezieht, während das kollektive Gedächtnis<br />

alltagsfern ist. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist der beschränkte Zeithorizont<br />

des kommunikativen Gedächtnisses 6 .<br />

Es soll hier nicht erörtert werden, ob es sich um ein wissenschaftliches Modethema<br />

handelt oder sich - wie J. Assmann behauptet - ein neues Paradigma in den<br />

Kulturwissenschaften aufbaut, das Politikwissenschaftler, Historiker und Soziologen<br />

dazu zwingt, ihre Themen in neuen Zusammenhängen zu betrachten 7 . Von Interesse<br />

ist vielmehr, wie ein Historiker des 18. Jahrhunderts versucht, durch den Nachweis<br />

historischer Kontinuitäten und die Verbindung zwischen verschiedenen<br />

Wissenszweigen eine rechts- und politikgeschichtliche Tradition des livländischen<br />

Ständestaates und eine spezielle Kultur 8 der „Livländer“ durch Erwecken der<br />

Erinnerung zu schaffen, die das Festhalten an einer Sonderstellung der<br />

Ostseeprovinzen im Russischen Reich rechtfertigen soll.<br />

10.2.) Geschichtsschreibung: Gedächtnis - Tradition - Kontinuität oder Wandel?<br />

Gadebuschs Geschichtsschreibung ist nicht nur ein Festhalten erinnerungswürdiger<br />

Fakten, sondern gibt sich passagenweise selbst als Form der Erinnerung, mit der ein<br />

bestimmter Wissenskanon um Ereignisse und Strukturen aus der livländischen Landesgeschichte<br />

aufrechterhalten werden soll. Die Verbindung der Termini Geschichtsschreibung,<br />

Gedächtnis, Tradition und Kontinuität oder Wandel impliziert Fragen<br />

nach der Rolle, die die Kultur der Erinnerung in Gadebuschs Geschichtsschreibung<br />

spielt und danach, inwieweit er den historischen Bericht als Ersatz für Traditionen<br />

5 Vgl. J. Assmann, ebd., S. 12; diese „Erinnerungsfiguren“ werden von A. Assmann unter dem Begriff<br />

der „Gedächtnismetaphorik“ betrachtet und in räumliche, schriftliche und zeitliche Metaphern<br />

untergliedert, vgl. A. Assmann, Zur Metaphorik der Erinnerung. In: Dies. / D. Harth (Hg.), Mnemosyne.<br />

Formen und Funktion der kulturellen Erinnerung, Frankfurt 1991, S. 13f.<br />

6 Vgl. J. Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, S. 10.<br />

7 Vgl. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen<br />

Hochkulturen, München 1999, S. 11.

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