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Download - Baltische Historische Kommission

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Interesse der Gegenwart gilt, was sich darin zeigt, daß in den historischen<br />

Schilderungen eine Vielzahl aktueller Bezüge und Anspielungen eingefügt sind und<br />

der historische Bericht immer wieder durch Verweise auf die Gegenwart<br />

unterbrochen ist. Zum Charakteristikum der Geschichtsschreibung wird so die enge<br />

Verzahnung von Gegenwart und Vergangenheit; die Gegenwart - eine Gegenwart,<br />

die von ihrem Werden aus der Vergangenheit heraus verstanden und an ihr gemessen<br />

werden soll - bleibt der Ausgangspunkt von Gadebuschs Geschichtsbewußtsein. Die<br />

Deutung der Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart manipuliert die<br />

betrachteten Fakten nicht, sondern perspektiviert ihre aus dem Quellenmaterial<br />

herausgelesenen Facetten.<br />

Da das Kriterium der Sprache in den Ostseeprovinzen Rußlands nur bedingt eine abgrenzende<br />

Funktion für die Gesamtheit der „Livländer“ einnehmen konnte - die<br />

Oberschicht war einem anderen Sprach- und Kulturkreis zugehörig als die<br />

Unterschicht - übernimmt der Bezug auf die Landesgeschichte bei Gadebusch die<br />

Funktion eines abgrenzenden Merkmals und zugleich integrierenden Faktors, um auf<br />

diesem Weg ein moralisches Leitbild und eine Wertordnung zu vermitteln, durch die<br />

eine Verbindung zwischen dem historischen Objekt und den Trägern des historischen<br />

Bewußtseins entstehen kann. Die Untersuchung von Gadebuschs historiographischen<br />

Schriften hat deutlich werden lassen, daß sein Bild von der livländischen<br />

Landesgeschichte das beherrschende Element seiner politischen und historischen<br />

Kultur darstellt. Als bestimmender Faktor hat sich neben dem Raumfaktor - der<br />

Beschränkung auf die eigene Stadt oder als Erweiterung auf die Region Livland (als<br />

zusammenfassender Begriff für die beiden russischen Ostseeprovinzen Est- und<br />

Livland) - der Zeitfaktor erwiesen. Im Zentrum steht das Phänomen der Kontinuität,<br />

wobei auch Unterbrechungen als Bestätigungen ein und desselben Prinzips<br />

erscheinen. So fällt der Geschichtsschreibung die Aufgabe zu, das Bild einer<br />

kontinuierlich verlaufenden livländischen Landesgeschichte zu schaffen. Dabei sollte<br />

nicht mehr in sagenhafte Vorzeiten des Landes zurückgegriffen werden, sondern der<br />

geschickte Geschichtsschreiber hatte aus der Zeit seit der „Aufsegelung“ des Landes<br />

durch die deutschen Kaufleute Ereignisse und Personen auszuwählen, die der<br />

besonderen Erinnerung würdig erschienen.<br />

Das Anführen des historischen Arguments besitzt bei Gadebusch keine einheitliche<br />

Struktur, es kann sich aus der Bezugnahme auf historische Ereignisse, aus dem<br />

Rückgriff auf normative Regelungen oder aus dem Rekurs auf Entwicklungstenden-

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