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216<br />

allgemeiner Menschenrechte, mit der Pufendorf das Postulat der Gleichheit aller<br />

Menschen begründet, wird von Gadebusch zugunsten seines ständischen<br />

Gesellschaftsbildes nicht angesprochen. Starke Prägungen erfährt Gadebuschs<br />

Staatsverständnis auch von Montesquieu, der das vor seiner Zeit absolute Geltung<br />

beanspruchende Naturrecht geopolitisch und historisch relativierte. Er versucht - an<br />

die Tradition der Moralisten anknüpfend - auf der Ebene unabhängiger Staaten<br />

Staatsformen und Verfassungsinstitutionen aus dem Zusammenhang mit der<br />

Wirklichkeit des zugeordneten Menschentypus zu begreifen und konstruiert das Ideal<br />

eines „honnête homme“, ein konkretes Menschenbild, auf dessen Grundlage eine<br />

Verfassungstheorie geschaffen wird. Gadebusch überträgt Montesquieus Lehren in<br />

Auszügen auf das rechtlich vom Zarenreich abhängige Livland, das bis zur Mitte des<br />

18. Jahrhunderts weitgehend autonom unter der Herrschaft der livländischen<br />

Landstände agieren konnte, und konstatiert im Rahmen seiner Arbeiten zur<br />

Gesetzeskommission, daß die Gesetze des Russischen Reiches nicht ohne weiteres<br />

auf Livland übertragen werden sollten 127 . Gemäß seiner Abneigung rationalen<br />

philosophischen Theorien gegenüber, die vorwiegend auf hypothetischer Grundlage<br />

konstruieren, und der Bevorzugung historischer Erklärungsmuster stellt Gadebusch<br />

im Gegensatz zu den Naturrechtlern die historische Genese des livländischen<br />

Gemeinwesens und dessen Recht höher als ein abstraktes Bürgerrecht. In seinem<br />

Blickfeld steht nicht der Bauplan des Staates, nach dem der Akt einer<br />

Staatsgründung hypothetisch aufgefaßt wird, sondern die Ereignisse, die zu dem<br />

aktuellen politischen Zustand Livlands im 18. Jahrhundert geführt haben. Die<br />

Geschichte des Landes und diejenige seiner innen- und außenpolitischen Konflikte<br />

ist für Gadebusch in erster Linie ein Bericht über Staatsveränderungen und eine<br />

Schilderung der ehemaligen und augenblicklichen Verfassung. Dabei tendiert er zu<br />

voluminösen Dokumentationen, um alle noch so geringen Verordnungen zu erfassen.<br />

Während die Naturrechtler von einer natürlichen Gleichheit aller Menschen im<br />

reinen Naturzustand ausgehen und eine ständische Gliederung lediglich als möglich,<br />

nicht aber selbstverständlich betrachten, hält Gadebusch - wie oben dargelegt - an ihr<br />

als einem notwendigen rational rekonstruierbaren Ergebnis der geschichtlichen<br />

Entwicklung fest. Ein deutlicher Unterschied zu seinen Zeitgenossen wird bei<br />

Gadebusch darin sichtbar, daß er die ständische Ordnung nicht nur aus der<br />

127 Vgl. Gedanken über den Bauerstand. In: Deputationsjournal, Bd. 3, § 1: „Ich setze dabey billig<br />

voraus, daß man Gesetze ohne Noth nicht vervielfältigen müsse.“

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