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274<br />

Der Einfluß von Montesquieus ‘De l’esprit de lois’ ist von überragender Bedeutung<br />

für das politische Bewußtsein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach R.<br />

Vierhaus gehörten seine Ideen zum „geistigen Gemeinbesitz“ des lesenden und<br />

schreibenden Publikums<br />

138 , so daß es schwer ist, einen präzisen ideellen<br />

Wirkungszusammenhang zwischen Montesquieu und dem ‘Nakaz’ herzustellen.<br />

Vierhaus mahnt mit Recht zur Vorsicht, aus der Aufnahme verschiedener Gedanken<br />

und Begriffe auf eine Rezeption des gesamten Systems zu schließen, da diese ebenso<br />

gut aus der allgemeinen zeitgenössischen Diskussion übernommen sein könnten. Die<br />

These, die Gedanken Montesquieus seien im 18. Jahrhundert allgemein verbreitetes<br />

Gedankengut gewesen, findet ihre Bestätigung darin, daß sie in alle Richtungen<br />

diskutiert wurden und zur Untermauerung so gegensätzlicher Positionen wie der<br />

Gadebuschs - als Vertreter eines regional-ständischen Wesens - und derjenigen der<br />

Zarin - als Vertreterin der landesherrlichen Souveränität - verwendet werden können.<br />

Für Gadebusch nimmt - ebenso wie für Schwartz - Montesquieus Kulturlehre eine<br />

besondere Stellung ein, nach der die Gesetzgebung sich der Staatsform, Kultur,<br />

Wirtschaft und den Sitten des jeweiligen Gemeinwesens anzupassen habe und man<br />

„Gesetze ohne Noth nicht vervielfältigen müsse“ 139 . Katharina betont in den<br />

Paragraphen 45-47 des ‘Nakaz’ ebenfalls den Einfluß von Religion, Klima, Sitten<br />

und historischen Vorbildern und spricht von einem „esprit général“, dem<br />

Gesetzgebungsvorhaben Rechnung tragen müssen 140 . Beide Seiten erkennen die<br />

Notwendigkeit von „pouvoirs intermédiaires“<br />

141<br />

an, die Montesquieu als<br />

unumgängliche Elemente einer funktionierenden, nicht-despotischen Monarchie<br />

bezeichnet hatte. Für Gadebusch sind sie in den livländischen Ständen verwirklicht,<br />

bei Katharina werden sie durch die Reichsbehörden als Vorläufer des Beamtenstaates<br />

der deutschen Kameralisten vertreten.<br />

Trotz des zuvor Gesagten sollen im folgenden - mit der gebotenen Vorsicht - einige<br />

Übernahmen Katharinas aus den Schriften Montesquieus und Beccarias beleuchtet<br />

werden. Auf Montesquieu ist die naturrechtliche Haltung des ‘Nakaz’ zurückzufüh-<br />

138 Vgl. R. Vierhaus, Montesquieu in Deutschland. Zur Geschichte seiner Wirkung als politischer<br />

Schriftsteller im 18. Jahrhundert. In: E.-W. Böckenförde et al. (hg.), Collegium Philosophicum.<br />

Studien Joachim Ritter zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1965, S. 413; auch D. Geyer, ‘Gesellschaft’ als<br />

staatliche Veranstaltung, S. 33 betont, daß die zwanghafte Anpassung Montesquieus auf Rußland als<br />

Modeerscheinung der Zeit zu bewerten ist.<br />

139 Gadebusch, Gedanken über den Bauerstand, §2.<br />

140 Vgl. Nakaz, § 46. In: PSZ 18, St. Petersburg 1830, S. 198, Nr. 12949, u. § 57, S. 199.<br />

141 Vgl. Montesquieu, De l’esprit des lois, B. 2, Kap. 4 [übs. u. hg. v. E. Forsthoff, S. 28]

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