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Gerhards 2 , der die Gesellschaftsstrukturen Rußlands, Europas und Nordamerikas<br />

vergleichend untersucht und die Beständigkeit der Wirkung des europäischen<br />

Ständetums betont, hebt G. v. Pistohlkors den Regionalcharakter der<br />

Ostseeprovinzen Rußlands in Absetzung von den angrenzenden Territorien hervor<br />

und unternimmt den Versuch, Spuren von Regionalismuskonzepten in der<br />

deutschbaltischen Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert nachzuzeichnen.<br />

Der Begriff des Regionalismus entwickelt sich erst im Rahmen der französischen<br />

Regionalismusbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts 3 , so daß man für das 18.<br />

Jahrhundert die sozialen und politischen Bewegungen, die auf Anerkennung einer<br />

substaatlichen Identität abzielten, mit dem Begriff des „Lokalpatriotismus“<br />

bezeichnen sollte.<br />

In den ‘Jahrbücher[n]’ entwickelt Gadebusch das Konzept einer ausgeprägten ständischen<br />

Ordnung und stellt alle Stände als Garanten der individuellen Freiheit dar.<br />

Demnach setzt sich der ideale „Staat“ aus verschiedenen Ständen zusammen, die<br />

untereinander ein harmonisches Zusammenleben anstreben sollten, um die<br />

allgemeine Glückseligkeit als Hauptzweck der Staatsraison zu befördern 4 . Diese<br />

überaus positive Interpretation des Zusammenwirkens aller Stände erscheint im<br />

Hinblick auf die beiseite gelassenen lokalen und regionalen Differenzen<br />

problematisch, da nicht berücksichtigt wird, inwieweit die einzelnen Stände<br />

ihrerseits bereit waren, sich über eigene Interessen hinaus für Zwecke der großen<br />

Politik zusammenzuschließen, wie die Diskussionen um die Finanzierung der dem<br />

Land von Katharina II. auferlegten sogenannten Türkensteuer im Jahre 1769 zeigten,<br />

bei denen die Stadt Riga und die livländische Ritterschaft aus ständischem<br />

Eigeninteresse um eine möglichst geringe Summe für die jeweiligen Korporation<br />

feilschten 5 . Gadebusch war als Deputierter des Dorpater Stadtrates ebenfalls dazu<br />

angehalten, eine möglichst geringe Summe für die Stadt auszuhandeln, worum er<br />

sich im Laufe seines Aufenthaltes in Riga schriftlich und in Gesprächen mit dem<br />

Gleichartigkeit geographischer, ökonomischer und kultureller Strukturbedingungen mit dem Bewußtsein<br />

der regionalen Gemeinsamkeit verbinden.<br />

2 D. Gerhard, Regionalismus und ständisches Wesen als ein Grundthema europäischer Geschichte. In:<br />

HZ, 174 (1952), S. 307-337.<br />

3 Vgl. Art. „Regionalismus“ (Manfred Mols). In: StaatsLexikon, hg. von der Görres-Gesellschaft, Bd.<br />

4, Freiburg, Basel, Wien 7 1988, Sp. 774-777.<br />

4 Dieses Staatsverständnis läßt sich auch bei J.G. Eisen finden, vgl. Der Philantrop. Eine periodische<br />

Schrift. Erstes Stück, Mitau 1777, S. 1 u. 8.<br />

5 Vgl. Gadebusch, Rigisches Deputationsjournal.

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