02.11.2013 Aufrufe

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

294<br />

Geschichten der zusammenlebenden Generationen konstituieren einen je eigenen Erfahrungsraum,<br />

von dem aus die „alte“ Geschichte erschlossen wird, die jeweils dann<br />

beginnt, wenn kein Augenzeuge mehr lebt. Die Fundierung der Geschichte als Wissenschaft<br />

im Erlebnis von Zeitgenossen, das als primäre und eigentliche Realität aufgefaßt<br />

wird, ist in Gadebuschs Geschichtsschreibung eine zentrale Kategorie. Seiner<br />

Ansicht nach bilden Subjekt und Objekt im Erlebnis noch eine Einheit, die erst durch<br />

spätere Reflexionen aufgehoben wird, so daß er keine Notwendigkeit für kritische<br />

Überlegungen sieht, wie sich die Interpretation des „Augenzeugen“ zu dem tatsächlichen<br />

Ereignis verhält und eine Überprüfung von „Augenzeugenberichten“ vorzunehmen.<br />

Er geht von der Voraussetzung aus, daß die Sinnesorgane die Wirklichkeit direkt<br />

und unverzerrt registrieren können und der „Augenzeuge“ die so registrierte<br />

Wirklichkeit objektiv wiedergebe. In diesem Verständnis - das man als naiven<br />

Realismus oder Objektivismus bezeichnen kann - erscheint das historische Faktum<br />

nicht als logisch strukturiertes Gebilde, sondern als einfache Tatsache, die<br />

konstatiert, nicht aber analysiert werden kann. Die Wahrscheinlichkeit eines<br />

„Augenzeugenberichtes“ kann allerdings unter Anführung einer als echt<br />

ausgewiesenen Quelle angezweifelt werden, wie bei der Schilderung der<br />

Vorgeschichte des Livländischen Krieges deutlich wird. Der Bericht F. Nyenstedts<br />

tritt hier zugunsten eines „protokollmäßige[n] Bericht[s]“ aus J.J. Sahmens auf<br />

Nachrichten des Dorpater Stadt- und Ratsarchives basierendem Manuskripts in den<br />

Hintergrund:<br />

„Es ist wahr, dieser brave Mann mag um die Zeit schon in Dörpat gewesen seyn: allein<br />

es scheint, daß er diese Bebenheit [sic!] nach Hörensagen verzeichnet habe. Sein<br />

Zeugniß muß also den dörpatischen Archivnachrichten weichen.“ 20<br />

Die livländischen Stände hatten sich 1554 auf dem Landtag von Wolmar geeinigt,<br />

einen erneuten Beifrieden mit Moskau zu schließen und sandten zu diesem Zweck<br />

Bevollmächtigte an den Zaren. Dieser diktierte ihnen die Bedingungen für einen<br />

Frieden (Freiheit des Handels mit allen Waren für russische Kaufleute in Livland)<br />

und erhob Anspruch auf Zinszahlungen des Bistums Dorpat sowie eines<br />

rückständigen Betrages 21 . Nyenstedt zufolge verhandelten die Gesandten in Moskau<br />

19 P. Johansen, Heinrich von Lettland. In: JBGO N.F., 1 (1953), H. 1, S. 4.<br />

20 Gadebusch, Jahrbücher I2, § 153, S. 466, Anm. i); J.J. Sahmen, Das alte Dorpat (Ms. 1758).<br />

21 Die historische Wurzel dieses Zinses ist nicht ohne weiteres zu bestimmen, in der russischen Argumentation<br />

wandelte er sich zu einem Erbanspruch des Zaren, der daher rührte, daß seine Vorfahren<br />

den Deutschen die Besiedelung des eroberten Landes gegen Zahlung einer Steuer gestattet hätten, vgl.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!