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Download - Baltische Historische Kommission

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wiederkehrenden Topoi stellen ein festes Koordinatensystem dar, an dem sich die<br />

Erinnerung orientieren kann. Daher wirkt ein Teil der Persönlichkeitsattribute stereotyp,<br />

da sie eine Auswahl aus einem Katalog bürgerlich-aufgeklärter Tugenden<br />

darstellen und so die angestrebte plastische Zeichnung eines Persönlichkeitsprofils<br />

beeinträchtigen.<br />

Die zentrale soziale Funktion der biographischen Schriften ist die der Erzeugung von<br />

Kontinuität durch Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen, hinter der der Versuch,<br />

individuelle Handlungsbeiträge des Subjekt wahrzunehmen, vielfach zurücktreten<br />

muß. Gadebuschs Anliegen ist nicht, das Individuum je als Besonderes zu zeigen,<br />

sondern als Mitglied seiner Welt, so daß das Thema nicht die Feststellung und Behauptung<br />

von Besonderheiten, sondern vielmehr die Vereinbarung etwaiger Besonderheiten<br />

mit der Gestalt ist, die das Individuum als Mitglied seiner Welt annehmen<br />

kann. Im Mittelpunkt seines Interesses steht der Einzelne, der in der Idealität seines<br />

Lebenslaufes die Möglichkeit der menschlichen Gattung repräsentiert, die<br />

individuelle Persönlichkeit tritt hinter ihre kulturelle Stilisierung zurück. Gadebuschs<br />

Intention liegt darin, mit der Abfassung von Biographien exemplarischer<br />

Persönlichkeiten die Rolle herauszustreichen, die der einzelne für die Gegenwart und<br />

besonders für die Deutung der Vergangenheit gespielt hat und das Phänomen der<br />

Individualität für die Geschichtsauffassung zu betonen, was er auch auf das<br />

Verständnis von Kollektivbegriffen wie „Volk“ und „Livländer“ überträgt, wie oben<br />

dargelegt worden ist.<br />

8.6.) Genealogie und Heraldik<br />

Mit einem mathematischen Sinn für Daten und Tatsachen wendet sich Gadebusch<br />

der Genealogie als dem beliebtesten Zweig der historischen Forschung im 18.<br />

Jahrhundert zu und kann durch die Folge der Geschlechter die livländische<br />

Geschichte in einen überschaubaren Zusammenhang bringen. Als typischste und<br />

ursprünglichste Form der Erinnerung überbrückt die Genealogie Lücken zwischen<br />

Gegenwart und Ursprungszeit. Für die livländischen Adelsfamilien war es ein<br />

Bedürfnis, genealogische Zusammenhänge zwischen den Deutschen in den<br />

Ostseeprovinzen und Vorfahren und Verwandten im Reich herzustellen, wobei<br />

Deutschland nur als Herkunftsland betrachtet wurde, eine politische Identifizierung<br />

in der Zeit vor der Reichsgründung jedoch ausblieb. Die meisten adligen Familien

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