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Download - Baltische Historische Kommission

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404<br />

Das deutschbaltische Geschichtsbild und -bewußtsein, dessen relative<br />

Geschlossenheit H. Weiss für das gesamte 18. Jahrhundert konstatiert 17 , erfährt<br />

spätestens in den 80er Jahren einschneidende Risse, die Gadebusch sowohl in seinen<br />

historischen als auch juristischen Schriften mit der Konstruktion eines unauflösbaren<br />

Zusammenhangs von Vergangenheit und Gegenwart überspielen will. Die<br />

Kontinuitätsproblematik entwikkelt sich zu einem Leitfaden der<br />

Geschichtsschreibung und Gadebuschs Unbehagen methodischen Konzepten<br />

gegenüber führt dazu, daß auch das Phänomen der Kontinuität nicht als theoretischer<br />

Begriff in Erscheinung tritt, sondern lediglich als Vorstellung eines durch Verfahren<br />

der Memoria hergestellten Zusammenhanges zwischen der Erinnerung als Sinnbild<br />

der Vergangenheit und dem Wollen als Synonym für die Zukunft faßbar wird.<br />

Kontinuität ist das Charakteristikum des gesamten Geschichtsprozesses und eine<br />

Form des geschichtlichen Vorgehens, so daß die landesgeschichtlichen Epochen bei<br />

Gadebusch weder Stadien eines göttlichen Prozesses noch Lebensalter eines Ichs der<br />

Menschheit, sondern vielmehr Stadien eines natürlichen Entwicklungsprozesses<br />

darstellen.<br />

Aus dem zuvor Gesagten wird deutlich, daß das von Gadebusch verwirklichte geschichtliche<br />

Gedächtnis neben seiner rein erinnernden Funktion auch eine<br />

prospektive Seite hat, die auf die Disziplinierung der Lebensführung seiner<br />

Zeitgenossen zielt. Die Erinnerung an die Vergangenheit eröffnet ihm das historische<br />

Argumentationspotential der Rhetorik, mit dem er verschiedene<br />

Kontinuitätsperspektiven bündeln und jede seiner Stellungnahmen in den Rahmen<br />

einer historischen Argumentation einbetten kann. Das Aufgreifen der Vergangenheit<br />

im Modus der Erinnerung verhilft dieser zu einer rhetorisch größeren<br />

Verbindlichkeit als die Darstellung vergangener Fakten, die historisch unverbindlich<br />

bleiben. Diese Verbindlichkeit eröffnet dem Historiker Gadebusch Chancen, die<br />

pragmatische Bedeutung des historischen Denkens in einer bewußten<br />

Auseinandersetzung über Zeitdeutungen durchschaubarer werden zu lassen. Mit dem<br />

Verweis auf die Kontinuität innerhalb der Landesgeschichte hat Gadebusch ein<br />

praktisches Interesse verwirklicht: die Kontinuitätsbehauptung übernimmt eine<br />

Legitimationsfunktion innerhalb des Rechts- und Wertsystems der Provinzen im 18.<br />

Jahrhundert. Die Berufung auf Geschichte und Kontinuität hat rechtfertigende Funk-<br />

17 H. Weiss, Zum Geschichtsbewußtsein in den <strong>Baltische</strong>n Ländern. In: E. Birke / E. Lemberg (Hg.),<br />

Geschichtsbewußtsein in Ostmitteleuropa, Marburg 1964, S. 131.

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