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Download - Baltische Historische Kommission

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einer kurzen Einleitung, in der er die „Väter und Söhne dieser Stadt!“ - redliche<br />

Männer, die besonnen dem Wohl ihrer Stadt und ihres „Vaterlandes“ dienen - in<br />

einer stark affektiv besetzten Sprache dazu aufruft, den gegenwärtigen Tag zu<br />

heiligen und zu feiern. Den Hauptteil der Rede leitet er in sachlichen Worten mit der<br />

Geschichte des Gebäudes ein, das - wie in den Ratsprotokollen verzeichnet - 1601<br />

durch die Unachtsamkeit schwedischer Soldaten abbrannte. Die nachfolgenden<br />

unruhigen Zeiten verzögerten einen Wiederaufbau bis zum Jahr 1684, in dem der<br />

schwedische König Karl XI. Gelder und Baumaterialien zur Verfügung stellte, 1693<br />

wurde das neue Rathaus eingeweiht. 1708 eroberten die Russen die Stadt, schleiften<br />

die Befestigung, verschleppten die Bewohner der Stadt ins Innere des Russischen<br />

Reiches und brannten neben anderen Gebäuden auch das Rathaus nieder. Nach der<br />

Rückkehr der Einwohner wurde aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Stadt<br />

ein provisorischer Holzbau errichtet, der in dem großen Stadtbrand von 1775<br />

abbrannte.<br />

Mit einem Psalmenzitat parallelisiert Gadebusch die Freude der Bewohner Dorpats<br />

über den Wiederaufbau des Rathauses mit der Freude Davids über die Stadt Jerusalem,<br />

in der das Volk Israels zusammenkommt und in der Recht gesprochen wird:<br />

„Jerusalem ist gebauet, daß es eine Stadt sey, da man zusammen kommen soll: denn<br />

daselbst sitzen die Stühle zum Gericht, die Stühle des Hauses David. Wünschet Jerusalem<br />

Glück: es müsse wohlgehen denen, die dich lieben. Es müsse Friede seyn inwendig<br />

in deinen Mauren!“ 68<br />

Das Rathaus wird durch dieses Bibelzitat als ein historischer Gedächtnisort auf den<br />

Rang Jerusalems emporgehoben, das für Juden und Christen gleichermaßen einen<br />

eschatologischen heiligen Ort sowie einen historischen Gedächtnisort darstellt. Mit<br />

dieser Funktionalisierung des Dorpater Rathauses versucht Gadebusch, einen Ort zu<br />

konstruieren, an dem sich die Kontinuität des livländischen Rechtswesens<br />

manifestiert. Nach den Psalmworten wechselt Gadebusch in einen pathetischen Stil,<br />

in dem er die unermeßliche Gnade der Zarin Katharina rühmt, mit deren Hilfe der<br />

Wiederaufbau nun endlich ermöglicht werde, wofür ihr noch die zwei nachfolgenden<br />

Generationen dankbar sein werden. Nach einem emphatischen Aufruf an seine<br />

Spenden verschiedener Adliger für den Wiederaufbau des Rathauses und der Stil der Einleitung<br />

(besonders die respektvollen Curialia) lassen vermuten, daß sie ebenfalls von Gadebusch verfaßt<br />

worden ist.<br />

68 Gadebusch, Nachricht von Wiedererbauung des Rathauses, S. 8; vgl. Psalm 122, 3 - Anfang 7 unter<br />

Auslassung von Vers 4: „da die Stämme hinaufgehen, die Stämme des Herren, wie geboten ist dem<br />

Volke Israel, zu danken dem Namen des Herrn.“

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