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philologischen Methoden verselbständigt hatten, gewinnt durch die Erkenntnisse der<br />

Aufklärungsphilosophie einen neuen Erfahrungsraum und wandelt sich zu einer<br />

eigenen wissenschaftlichen Disziplin, indem sie die Einheit von historischen<br />

Ereignissen und deren Überlieferung neu definiert. Der Begriff „Geschichte“ entfernt<br />

sich von der früheren Trennung zwischen einem objektiven Ereignis- und<br />

Handlungsbereich und einem subjektiven Bereich der Erzählung und wird nun im<br />

Singular gebraucht, in dem man beide Bereiche vereinte. Aus dem allgemeinen<br />

aufklärerischen Bedürfnis nach Bildung und Wissen um den Menschen erfolgte die<br />

Hinwendung zur Geschichtsschreibung, die erst im 18. Jahrhundert einen höheren<br />

Abstraktionsgrad erreichte, da man in der Vergangenheit Aufschluß über aktuelle<br />

Fragen der menschlichen Existenz zu finden hoffte 1 . Mit dem Erwachen eines<br />

anthropologischen Interesses erweiterte die Aufklärung den Bezugsrahmen der<br />

Gattung „Universalgeschichte“ um die philosophische Dimension und vollzog so<br />

erste Schritte auf dem Weg zu einer modernen Kulturgeschichtsschreibung.<br />

Landesgeschichte, Politik, Ökonomie, Geographie und Völkerkunde flossen<br />

zusammen, die Form der historischen Erzählung erfuhr nachhaltige Prägungen durch<br />

die Geschichtsschreibung Voltaires, der nicht mehr nur die Schicksale der<br />

Fürstenhäuser und die „Haupt- und Staatsaktionen“ als Gegenstand der Geschichte<br />

ansah, sondern sich vornehmlich der kulturgeschichtlichen Fragen, aber auch<br />

denjenigen des Handels, der Industrie, Kunst und Wissenschaft sowie der Geschichte<br />

wohltätiger Erfindungen zuwandte. Das wachsende Interesse an<br />

kulturgeschichtlichen Themen spiegelte den Wunsch eines sich gegenüber den<br />

autokratischen Fürstenhäusern konsolidierenden „Bürgertums“ wider, das sich<br />

erstmals als Träger einer Kultur empfand.<br />

Obwohl sich Gadebusch in seinen Schriften mehrfach von einer literarisch<br />

gestalteten Kulturgeschichtsschreibung distanziert, ist Voltaires Wirkung auf ihn bei<br />

der Neudefinition des Subjekts der Geschichte nicht zu übersehen. Gadebusch geht<br />

es nicht primär um politische Geschichte, die aus der Sicht eines Herrschers<br />

geschrieben wird, neue Bezugsgröße sind die „verschiedenen Einwohner“ des<br />

S. 395; die Betonung der Zielgerichtetheit der Beschäftigung mit Geschichte, die in erster Linie im<br />

Dienste der Staatsraison steht bei A. Kraus.<br />

1 Vgl. A. Kraus, Die Geschichtswissenschaft an den deutschen Akademien des 18. Jahrhunderts. In:<br />

K. Hammer / J. Voss (Hg.); <strong>Historische</strong> Forschung im 18. Jahrhundert. Organisation, Zielsetzung<br />

Ergebnisse [Pariser <strong>Historische</strong> Studien, Bd. 13], Bonn 1976, S. 244: „aus der Geschichte erfuhr man<br />

also [...] in exakter Induktion das wahre Wesen des Menschen.“; G. Iggers, The German conception,<br />

S. 33: „that history [...] was itself the key to the understanding of man as a social and political being.“

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