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In einer Anmerkung der ‘Jahrbücher’ nimmt Gadebusch direkt Stellung zum Pietismus:<br />

„Die Pietisten hatten viel glänzendes, indem sie die Heiligung vor allen anderen<br />

empfohlen, und dadurch melancholische und sanguinische Gemüther, jene auf<br />

immer, diese auf eine Zeitlang einnahmen. Ein Kennzeichen der Kätzer und Irrenden<br />

ist, daß sie einen oder etliche Artikel aus den Sätzen der christlichen Religion, oder<br />

den Lehren der heil. Schrift herausreißen, und solche vor allen anderen ihren<br />

Anhängern anpreisen. Nichts ist gefährlicher, als wenn man einen unbiblischen<br />

Unterschied unter den Personen der heil. Dreyeinigkeit machet, oder Rechtfertigung<br />

und Heiligung trennet.“ 21<br />

Dies war eine deutliche Absage an die Theologie der Neologen des 18. Jahrhunderts,<br />

die zwar an dem Offenbarungsbegriff festhielten, aber all das ablehnten, was nicht<br />

auf den Begriff der Vernunft reduzierbar war, wie Trinitätslehre und Christologie.<br />

Die innerprotestantischen Streitigkeiten über den Charakter der Rechtfertigung und<br />

das Verhältnis von Glauben und Werken wurden - nachdem man in der<br />

Konkordienformel 1577 zu einem gewissen Abschluß gefunden hatte - von den<br />

Pietisten wieder aufgegriffen. Der im Pietismus vorherrschende theologische<br />

Gedanke ist der Glaube an eine geistliche Wiedergeburt in Gott, die der einzelne<br />

Gläubige durch intensive Auseinandersetzungen mit seinem Sündenstand im Prozeß<br />

einer mühevollen Buße erreicht, ein geheiligtes Leben wird zum Hauptanliegen<br />

christlicher Existenz. Dabei liegt der Nachdruck eindeutig auf dem neuen Menschen,<br />

der als Ergebnis aus dem wunderbaren Geschehen hervorgeht. Die Pietisten des 18.<br />

Jahrhunderts richteten ihre Polemik gegen die lutherische Theologie auf den<br />

Kernpunkt der Alleinwirksamkeit der göttlichen Gnade. Sie unterschieden nicht<br />

zwischen den Formulierungen „Christus in den Christen“ und „Christus für die<br />

Christen“, die verdeutlichen, daß die Rechtfertigung der Christen im Sinne der<br />

lutherischen Religion nur in dieser Verbindung erfolgen kann. Aus der<br />

Rechtfertigung als Inbegriff der christlichen Lehre wird hierdurch ein Thema, das als<br />

Teil einer Stufenfolge zum Heil durch „Bekehrung“ und „Wiedergeburt“ ergänzt<br />

werden muß. Rechtfertigung gilt den Pietisten als Stand des Christen in der Buße, die<br />

Rechtfertigungslehre wird durch die Lehre von Wiedergeburt und Erneuerung durch<br />

den Glauben ersetzt. Die Pietisten des 18. Jahrhunderts erstrebten eine persönliche<br />

Aneignung des christlichen Glaubens in einer aktiven Heilsbewegung. Indem<br />

Gadebusch neben dem Vorwurf an die Pietisten, eklektisch zu verfahren, ihre<br />

21 Gadebusch, Jahrbücher III3, § 135, S. 412f. u. Anm. k).

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