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Download - Baltische Historische Kommission

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207<br />

Wohlfahrt als öffentliche Ordnung - in den Hintergrund. Sein politisches Ideal für<br />

Livland ist der zentral von einer Staatsraison bestimmte Wohlfahrtsstaat, der die<br />

Bedeutung des historischen Rechtszusammenhanges für die Gesetzgebungsvorhaben<br />

der Gegenwart anerkennt und dessen normative Leitlinie die Wohlordnung des<br />

Gemeinwesens ist. Überlegungen hierzu werden als Teil der Lehre vom<br />

Gemeinwesen unter dem Begriff der „Staatsklugheit“ oder „Staatskunst“ subsumiert.<br />

Der Aspekt des Gemeinnutzes wird nicht nur zum Lob der Herrschenden oder als<br />

Beweggrund für ihr Handeln hervorgehoben, sondern bildet einen<br />

Rechtfertigungsgrund ihrer Tätigkeiten und wird auch als Schranke staatlicher<br />

Eingriffsbefugnisse angesehen. Der Begriff umfaßt die Qualitäten eines wahren<br />

Staatsmannes, der sich durch eine im hohen Maßes utilitaristische und<br />

folgenorientierte Ausrichtung des Denkens und Handelns auszeichnet. „Staatskunst“<br />

wird nicht ausschließlich positiv konnotiert, sondern kann auch eine negative Nuance<br />

beinhalten, wie bei der Schilderung der Schlichtung der Kämpfe zwischen dem<br />

Deutschen Orden und Polen- Litauen durch den Kaiser Sigismund 1420 deutlich<br />

wird. Der Kaiser hatte einen Schiedsspruch gefällt, der den Protest Polens hervorrief.<br />

Daraufhin revidierte er den Spruch zuungunsten des Ordens, der nun eine große<br />

Summe an den polnischen König zahlen sollte:<br />

„Der Hochmeister hatte nicht soviel Geld, wollte aber den Rest in Silber bezahlen,<br />

welches nicht angenommen ward, damit man Ursache zu sagen hätte, es wäre von<br />

dem Orden dem kaiserlichen Schiede nicht nachgelebet worden, und also einen<br />

Krieg rechtfertigen könnte. Erbärmliche Staatskunst! Wie froh war der einfältige<br />

Wladislaw, daß ihm dieser Staatsstreich gelungen war!“ 106<br />

Die Staatsklugheitslehre trennt Gadebusch von der allgemeinen Rechtslehre und versieht<br />

sie mit Elementen einer christlichen Ethik. So wird die Frage nach der<br />

menschlichen Existenz in einem politischen Gemeinwesen nicht einer individuellen<br />

Entscheidung anheim gegeben, individuelle und soziale Existenz fallen zusammen.<br />

Ausdruck findet dieses Verständnis nicht nur in den ‘Jahrbücher[n]’, sondern auch in<br />

einer Rede, die Gadebusch am 25. Oktober 1771 anläßlich seiner Einführung in das<br />

Amt des Justizbürgermeisters zu dem Thema „Über die Pflicht der Oberheit das<br />

Zeitliche Glück ihrer Mitbürger zu befordern“ 107 hielt . Ausgehend von der<br />

105 Der Staat des russischen Generalgouverneurs „das sind bestimmte Ausgaben der Krone in Livland,<br />

wie er nämlich von dem Generalgouverneur Fürsten Repnin nach Beschaffenheit der gegenwärtigen<br />

Umstände geändert [...]“, Gadebusch, Jahrbücher IV1, § 150, S. 384.<br />

106 Vgl. Gadebusch, Jahrbücher I2, § 20, S. 49.<br />

107 Vgl. Ratsprotokolle der Stadt Dorpat 1771.

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