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Download - Baltische Historische Kommission

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10.5.) Die Verknüpfung von Landesgeschichtsschreibung und Biographik: Geschichte<br />

und Identität<br />

Geprägt von einer Zeit, in der das lineare Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit<br />

durch einen abrupten Bruch gestört oder zumindestens bedroht war und von der<br />

Defizienzerfahrung einer gesicherten Landesverwaltung, beschwört Gadebusch mit<br />

den verschiedenen Formen der Erinnerung eine Vergangenheit herauf, die Züge<br />

eines glorreichen Zeitalters trägt. Als unmittelbare Folge hebt er in den<br />

‘Jahrbücher[n]’ das in seiner Zeit Fehlende hervor, um den Bruch zwischen einst und<br />

jetzt bewußt zu machen und die Vergangenheit als politische und soziale Utopie<br />

darzustellen, auf deren Wiederherstellung es hinzuleben gilt. In seinem Verständnis<br />

können die „Livländer“ in der Verständigung über ihre Geschichte ein Bewußtsein<br />

von ihrer Gemeinschaft erreichen und so sieht er die Arbeit des historischen<br />

Forschens als ein Medium, mit dem die kulturelle Eigenart der zeitgenössischen<br />

livländischen Ständegesellschaft und die in sie mündende geschichtliche<br />

Entwicklung dargestellt werden können. Seine Geschichtsschreibung gibt sich als<br />

anwendungsbezogene Arbeit auf politischem und pädagogischem Gebiet, deren Ziel<br />

die Bereitstellung von Orientierungswissen für die Zeitgenossen ist, so daß nicht<br />

Vergangenheitsbewältigung, sondern die Bewältigung der in ihrer Tradition<br />

gefährdeten Gegenwart Anliegen des Historikers wird. Zum leitenden Interesse<br />

historischer Erkenntnis gehört eine identitätsstiftende Funktion, deren Zweck<br />

ethnisch-ständischer Art ist, d.h,. es geht darum, die Geschichte der „Livländer“ von<br />

derjenigen der Russen abzugrenzen, wobei die an soziale Strukturen gebundene<br />

Politik auslösendes Moment ist. Über die Ermittlung reiner Fakten hinaus nehmen<br />

die Fragen, inwieweit die Forschungsergebnisse für die ständischen Gruppen von<br />

Interesse sind, und diejenige nach der Verbindung zur Politik - verstanden als<br />

Bereich der Werte - einen wichtigen Teil des Aufgabengebietes eines Historikers ein.<br />

Gadebusch orientiert sich in seiner Geschichtsschreibung an einem regional<br />

geprägten „Wir-Gefühl“, das sich in der gehäuften Verwendung der Begriffe „uns“<br />

und „unsere“ verdeutlicht. Im Mittelpunkt der auf den sogenannten „Wir-<br />

Beziehungen“ beruhenden mehrschichtigen Identifikationsstrukturen stehen die<br />

Landesherrschaft, die Stadt und ihre rechtliche Verankerung („in unserm<br />

Vaterlande“, „in unsern Landesordnungen“ 48 ), die ergänzt werden durch soziale<br />

Identifikationen mit gesellschaftlichen Gruppen oder einzelnen Personen innerhalb

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