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Download - Baltische Historische Kommission

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insofern geschildert und problematisiert, als sie Hinweise auf die geeignetste<br />

Verfassung für die russischen Ostseeprovinzen bieten. In Gadebuschs Verständnis<br />

entstand die Herrschaftswelt Livlands in einem im Wesen der untersuchten Region<br />

liegenden, gesetzmäßigen Vorgang.<br />

Von einer lehrhaft-propädeutischen Geschichtsschreibung wendet Gadebusch sich<br />

über die Stufe hilfswissenschaftlich-enzyklopädischer Reflexionen mit dem Ziel der<br />

Systematisierung des historischen Wissens in Gesetzes- und biographischen Sammlungen<br />

zu zaghaften Ansätzen einer methodischen Reflexion mit dem Ziel einer<br />

systematischen Begründung von Eigenart und Funktion der livländischen<br />

Geschichtsschreibung. Programmatisch erhebt er die These, daß vor allem die<br />

historische Staatslehre (die sogenannte „Statistik“) Analyse und Erkenntnis der<br />

Verfassung (im weitesten Sinne verstanden als der gesamte öffentlich-rechtliche,<br />

sozio-ökonomische und kulturelle Zustand) ermögliche und zu einer induktiven<br />

Gewinnung von allgemeinen politischen Regeln führe. Besonders die ‘Jahrbücher’<br />

sind in der Überzeugung ausgearbeitet, daß nur auf einer historisch gesicherten Basis<br />

eine dauerhafte, zureichende, historisch gerechte, politisch vertretbare Reichs- oder<br />

Landesrechtsordnung entstehen und gewährleistet werden kann. Ohne umfassende<br />

Kenntnis des „status publicus“ aus seinen Anfängen heraus ist ein effektives Handeln<br />

unmöglich, da nur das Wissen um Herkunft, Fortschritt und Veränderung des<br />

Gemeinwesens dazu befähigt, Schaden von diesem abzuwenden.<br />

Im Verlauf der Untersuchung ist deutlich geworden, daß Gadebusch - obwohl er dem<br />

Epochenbewußtsein der Aufklärung kritisch gegenübersteht und sich mehrfach polemisch<br />

gegen ihre Geschichtstheoretiker äußert - viele Bestandteile aufklärerischen<br />

Denkens übernimmt, ohne ein Anhänger der Volksaufklärung<br />

1<br />

und des<br />

bedingungslosen Fortschrittsglaubens zu sein. Als Anhänger einer gemäßigten<br />

gesellschaftspolitischen Richtung innerhalb der Aufklärungshistoriker der<br />

Ostseeprovinzen tritt Gadebusch als Verteidiger der ständischen Ordnung auf und<br />

erteilt jeglicher Form von revolutionären Umbrüchen eine scharfe Absage. Orientiert<br />

an mathematisch-exakter Wissenschaft und in Enttäuschung über romanhaftplaudernde<br />

und aus konfessionellen und politischen Motiven verzerrende<br />

Geschichtsschreiber integriert er verschiedene Bereiche des menschlichen Lebens in<br />

1 Volksaufklärung im Sinne H. Bönings als Bauernaufklärung mit Absicht der Mentalitätsänderung,<br />

vgl. H. Böning, Die Genese der Volksaufklärung und ihre Entwicklung bis 1780 [H. Böning / R.<br />

Siegert, Volksaufklärung. Bibliographisches Handbuch zur Popularisierung aufklärerischen Denkens<br />

im deutschen Sprachraum von den Anfängen bis 1850, Bd. 1], Stuttgart- Bad Cannstatt 1990, S. X.

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