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263<br />

die ältere vorstaatliche Naturrechtsauffassung vom Recht der souveränen Herrscher<br />

hin zu einer liberalen Theorie mit ausdrücklichen politischen Forderungen.<br />

Aus der Unzulänglichkeit des positiven Rechts in Livland im 18. Jahrhundert ergab<br />

sich für Gadebusch die Notwendigkeit, Anleihen in einem anderen Rechtssystem zu<br />

suchen, die er im Naturrecht fand, das sich für ihn auf die menschliche Natur<br />

gründete und die Vernunft unmittelbar erkennen ließ. Im Gegensatz zu der Idee eines<br />

statischen und materialen Naturrechtssystems, wie es C. Wolff und seine Schüler<br />

verfochten, negiert Gadebusch die Idee eines geschlossenen Systems und setzt an<br />

ihre Stelle den Topos von der „Natur der Sache“ mit aus dem positiven Recht<br />

abgeleiteten allgemeinen Grundsätzen. Aufgabe des Vernunftrechts - das Gadebusch<br />

überwiegend mit dem lateinischen Begriff „ius saniorum“ bezeichnet - ist es, Lücken<br />

im positiven Recht auszufüllen und den Weg zur Auffindung dogmatischer Begriffe<br />

für die positive Rechtsgelehrtheit zu entwickeln. Charakteristisch ist die<br />

Vermischung zwischen notwendig empfundenen Regeln des Römischen Rechts nach<br />

der europäischen Rechtstradition („usus modernus pandectarum“) und der<br />

Sozialphilosophie des Vernunftrechts, die ihn in die Reihe der Hallenser S. Stryk,<br />

J.H. Boehmer und des moraltheologischen Traditionen verpflichteten J.G.<br />

Heineccius stellt, die durch Akten- und Urkundenstudien das Staatsrecht erforschen<br />

wollten. So verbindet Gadebusch z.B. in der Frage des Erbrechts beim Tod eines<br />

kinderlosen livländischen Geistlichen naturrechtliche Konfliktlösungstechniken mit<br />

Vorschriften aus dem Justinianischen Recht:<br />

„Mich dünkt, es sey natürlich, wenn ein Prediger in einem ehelosen Stande stirbet,<br />

folglich weder eine Ehefrau noch Kinder nachläßt, daß sein Vater, seine Brüder oder<br />

seine Schwestern, oder wer sonst seine Erben sind, nach dem römischen Rechte<br />

erben müssen, weil das Privilegium [Priesterprivileg vom Nov. 1675, das festlegt,<br />

die Teilung müsse nach den Bestimmungen der schwedischen Stadtlage erfolgen,<br />

C.K.] bloß auf Frau und Kinder gehet.“ 110<br />

Nach den justinianischen Bestimmungen sollte das Erbe bei Kinderlosigkeit des Erblassers<br />

an die gradnächsten agnatischen Verwandten fallen, wobei der nähere Grad<br />

den entfernteren ausschloß 111 .<br />

Gemein mit den Hallensern ist Gadebusch die besondere Affinität zur Praxis, der<br />

Wunsch, für die Praxis zu arbeiten und diese als Gegenstand der Wissenschaft heran-<br />

109 Im folgenden werden „Vernunftrecht“ und „Naturrecht“ synonym gebraucht, obgleich das erste<br />

nur eine Ausprägung des allgemeinen Naturrechtsgedankens darstellt, vgl. F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte<br />

der Neuzeit, S. 249ff.<br />

110 Gadebusch, Von dem gesetzmäßigen Erbgange, S. 49f.<br />

111 Novelle 118 des Kaisers Justinian aus dem Jahre 543, vgl. H. Honsell. Römisches Recht, S. 446.

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