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Download - Baltische Historische Kommission

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mit dem er wieder hochgezogen werden kann, nachdem es ihm wie seinen<br />

Vorgängern ergangen war. Die Vorsichtsmaßnahmen erweisen sich fürs Erste als<br />

gelungen: der Fuhrmann kann, nachdem er wieder zu Bewußtsein gelangt ist,<br />

erzählen, daß der Brunnen voller Gespenster sei „und ihm wäre geworden, als hätte<br />

man einige Centner Gewicht an seine Beine gebunden, sonder Zweifel weil die<br />

Lebensgeister in Ruhe gebracht worden, und in den Nerven nichts übrig gewesen.“<br />

12 , drei Tage später verstirbt er ebenfalls. Der Revaler Stadtphysikus läßt nun einige<br />

Tiere in einem Korb in den Brunnen herab, von denen alle nur tot wieder<br />

heraufgezogen werden können, woraufhin der Brunnen schließlich zugeschüttet<br />

wird. Sowohl Meister als auch Gadebusch folgern aus dem Geschehen, daß es sich<br />

um einen schwefel- und eisenhaltigen Brunnen gehandelt haben müsse, aus dem<br />

(wohl aufgrund der Verjauchung des Grundwassers durch Abfallschächte und<br />

Kloaken der Häuser) betäubende Dämpfe aufstiegen und versuchen, das ihnen im<br />

Grunde Unerklärliche - die Schnelligkeit, mit der die Vergiftung eintrat - aus dem<br />

naturwissenschaftlichen und medizinischen Kenntnisstand ihrer Zeit zu erklären.<br />

9.3.1.) Wunder und Prophetien<br />

Im Gegensatz zur Geschichtsschreibung des 16. und 17. Jahrhunderts, deren Geschichtsbild<br />

wie das des humanistisch gebildeten Geistlichen B. Russow von dem<br />

Dualismus antiker moralisierender Traditionen und zeitgemäßer christlicher Heilsgeschichte<br />

geprägt ist, setzt Gadebusch den Prophetien und „mala omina“ die Suche<br />

nach dem Göttlichen im Sichtbaren und Greifbaren entgegen. Seiner<br />

deterministischen Auffassung entsprechend schließt er Wunder als eine<br />

Unterbrechung gültiger Naturgesetze als vernünftige Erklärungsmodelle aus.<br />

Gadebuschs viel zitierte Quelle Russow betrachtet z.B. den Livländischen Krieg als<br />

gerechtfertigte Strafe Gottes für die tugendlosen Livländer, die für die Blütezeit des<br />

Wohllebens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens nicht demütig genug dankbar<br />

waren. Dem Krieg gingen einige warnende göttliche Fingerzeige voraus, wie ein<br />

1556 erschienener Komet und ein im folgenden Jahr durch das Land ziehender<br />

Bußprediger, der von Oberdeutschland aus durch Polen und Preußen nach Livland<br />

gepilgert war, um die Bewohner zu Buße und Umkehr zu bewegen und schließlich<br />

11 Vgl. Gadebusch, Jahrbücher III2, § 81, S. 111f.; Quelle ist L. Meister, Über die Schwärmerey, T. 2,<br />

Bern 1777, S. 30-33, von dem Gadebusch die Erzählung nahezu wörtlich übernimmt.<br />

12 Gadebusch, Jahrbücher III2, § 81, S. 112; mit der gleichen Begründung L. Meister, Über die<br />

Schwärmerey, S. 32.

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