02.11.2013 Aufrufe

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

172<br />

Vegesack durch das Schwert hinrichten. Gadebusch betont am Schluß des<br />

Paragraphen noch einmal, Vegesack sei vom Rat aufgrund seiner Verstöße gegen die<br />

Handelsgesetze - also rechtmäßig - verurteilt worden, seine ausführliche Darstellung<br />

des Falles macht jedoch deutlich, daß er sich einerseits über die Schärfe des Urteils<br />

und andererseits darüber wunderte, daß der Dorpater Bischof, der das halbe Gericht<br />

über Dorpat hatte 280 , sich nicht gegen den Rat durchsetzen konnte. Aus dem<br />

Prozeßverlauf läßt sich folgern, daß die Stadt in der Epoche der Bischöfe in ihrer<br />

Verwaltung frei war (mit Ausnahme des Dombezirkes), der Bischof in der<br />

Rechtsprechung zwar Einfluß ausüben, seine Interessen aber nicht immer<br />

durchsetzen konnte. Die Schuld Vegesacks läßt sich nicht hinreichend deutlich<br />

bestimmen, sie wird wahrscheinlich in einer nicht korrekt gehandhabten<br />

Finanzangelegenheit bestanden haben, wegen der die Russen Klage erhoben hatten,<br />

der Dorpater Rat erweiterte sie um den Verstoß gegen das Verbot des Borgkaufs.<br />

Ein zweiter Themenbereich für Gadebuschs sozialgeschichtlichen Blick ist das Verhältnis<br />

der Stände zueinander. Hierunter fallen die bereits in Kapitel 4.8.5.1.)<br />

betrachteten Auseinandersetzungen zwischen Rat und Gilden, zusätzlich erwähnt<br />

Gadebusch die in den Ratsprotokollen verzeichneten Unruhen der Bauern, die die<br />

Stadtgüter bewirtschafteten 281 . Auch hierbei tritt der Rat als Bewahrer der<br />

ständischen Ordnung auf, der darüber wacht, daß die Angehörigen niederer Stände<br />

nicht ungebührlich ausgenutzt werden, wie beispielhaft an den Ereignissen des<br />

Jahres 1632 dargelegt wird. Den Aufzeichnungen der Ratsprotokolle gemäß hatte<br />

„die Bürgerschaft“ - also die beiden Gilden - verlangt, „daß die Söhne der Vorstädter<br />

oder Undeutschen bey den Bürgern dienen sollten, wie es in anderen livländischen<br />

Städten gebräuchlich wäre.“ 282 Der Rat bewertete dieses Anliegen zwar im Grunde<br />

genommen positiv, wies aber darauf hin, daß die Söhne der Vorstädter - also<br />

überwiegend Esten und Russen - freiwillig in derartige Dienste treten müßten, da sie<br />

keine Leibeigenen seien und im Übrigen sei ihm dieses Vorgehen aus anderen<br />

Städten nicht bekannt.<br />

In den Bereich soziokultureller Betrachtungen fallen Gadebuschs Erwähnungen von<br />

280 G. von Rauch verweist darauf, daß der Ausdruck das „halbe Gericht“ sich nicht nur auf die geteilten<br />

Gerichtseinkünfte beziehe, sondern die Teilung der Rechtsgewalt zwischen Rat und Bischof<br />

bezeichne, vgl. G. von Rauch, Der Fall Vegesack, S. 180.<br />

281 Vgl. zu den Überfällen der Bauern von Talkhof auf benachbarte Güter im Jahr 1750 Jahrbücher<br />

IV2, § 244, S. 438.<br />

282 Gadebusch, Jahrbücher III1, § 24, S. 38.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!