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Download - Baltische Historische Kommission

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pietistisch gesinnt, blieb alten Überlieferungen unerschüttert treu und hielt engen<br />

Kontakt zu dem vom gutsbesitzenden Adel geprägten Land, wodurch er den realen<br />

Gegebenheiten und Erfordernissen des Landes näher war als der Rigaer Kreis um<br />

J.C. Berens, Herder, Hamann und Hartknoch, in dem unter Einfluß einer liberaleren,<br />

nach Westen geneigten Haltung theoretische Diskussionen über Humanitätsideale<br />

geführt wurden. Auf dem Lande konzentrierten sich die Aufklärungsbemühungen<br />

meist in den Pastoraten, wie an dem Wirken der Pastoren Eisen, Hupel und Jannau<br />

deutlich wird. Die Ideen der älteren Generation livländischer Aufklärer - zu der<br />

diejenigen gezählt werden sollen, die bereits vor der Französischen Revolution einen<br />

großen Teil ihrer Werke publiziert hatten und noch unbeeinflußt von Kants<br />

„Kopernikanischer Wende“ waren, die das ganze menschliche Erkenntnisvermögen<br />

in Frage stellte - entwickelten sich im Gegensatz zu Deutschland nicht zu einer<br />

spezifisch „bürgerlichen“ Bewegung, die Rezeption aufklärerischer Ideen war nicht<br />

schichtenspezifisch. So blieb die Polarisation zwischen Adligen und Bürgern aus,<br />

und die Gruppe der Aufklärer wurde von sozialer und beruflicher Inhomogenität<br />

geprägt. In Riga entstand mit dem Wirken Hamanns immerhin eine Polemik, die die<br />

Gruppe der in der Stadt ansässigen Großkaufleute als die wahren Aufklärer und dem<br />

Adel überlegen bezeichnete 4 .<br />

Aufklärerisches Ideengut war im deutschen Sprachgebiet anfangs ein genuin philosophisches<br />

Anliegen, das mit klaren Begriffen operieren wollte und auf die Förderung<br />

eigenständigen Denkens und die kritische Prüfung tradierter Meinungen zielte. Der<br />

Einfluß wuchs rasch, so daß man den Begriff auf Wissenschaften, Fragen der Gesetzgebung<br />

und der Lebensverhältnisse im allgemeinen ausdehnte und die Aufklärung<br />

nicht mehr als individuellen Prozeß verstand, sondern zu einem gesellschaftlichen<br />

Postulat erhob. In Livland begann man die soziale Stellung der Bauern zu diskutieren<br />

und erklärte diesen Stand zur Quelle des Wohlstandes des gesamten Landes (vgl.<br />

Kapitel 5.5.). Einige Aufklärer verwarfen die Leibeigenschaft aus ethischen Gründen<br />

und wollten sie unverzüglich abschaffen, andere lehnten sie - beeinflußt von den<br />

Ideen der Kameralisten - aus ökonomischen Gesichtspunkten ab und suchten nach<br />

alternativen Modellen. Erst die jüngere Generation der Aufklärer wie H.J. Jannau,<br />

3 I. Jürjo, Lesegesellschaften, Teil 2, S. 51.<br />

4 Dangeuil’s Anmerkungen über die Vortheile und Nachtheile von Frankreich und Großbritannien in<br />

Ansehung des Handels und der übrigen Quellen von der Macht der Staaten; nebst einem Auszuge<br />

eines Werkes über die Wiederherstellung der Manufakturen und des Handels in Spanien. Mit einer<br />

Beylage des Übersetzers. 1756. In: J.G. Hamann, Sämtliche Werke, hg. v. J. Nadler, 6 Bde., Wien<br />

1949-1957, Bd. 4, Wien 1952, S. 225-242.

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