02.11.2013 Aufrufe

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

Download - Baltische Historische Kommission

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

201<br />

Tonnen Bier und 3 Stoff Branntwein ausschenken 86 . Gadebusch kritisiert in<br />

pietistischer Gesinnung Ausschweifungen, verwundert sich über die zugelassenen<br />

Mengen: „Vor dieser Mäßigkeit, die man doch in gedachter Verordnung einprägen<br />

will, erschracken vernünftige Bauren.“ und kommentiert seine eigene Aufgabe,<br />

derartige Verordnungen von der Kanzel der Dorpater Kirchen zu verlesen:<br />

„Wenn ich solches, als Notar der Oberkirchenvorsteherschaft, gethan, habe ich von<br />

manchem Bauren gehöret: ‘Gott bewahre uns vor dergleichen Völlerey!’ Diese<br />

einfältigen Leute haben Recht!“ 87<br />

Die Passage ist Ausdruck der Entdeckung Gadebuschs, daß auch in den unteren<br />

Ständen gesunde Vernunft und die Fähigkeit zum selbständigen Denken zu finden<br />

waren.<br />

5.5.1.) „Undeutsche“<br />

Gadebuschs Nachrichten über die Dorpater „Undeutschen“ 88 sind spärlich und<br />

lassen sich nicht zu einem farbigen Gesamtbild ordnen, nur am Rande erwähnt er in<br />

den ‘Jahrbücher[n]’, daß es estnische Zünfte in der Stadt gegeben habe, deren<br />

Mitglieder vereinzelt vor 1558 einen Bürgereid geleistet hatten. Ausführlicher wird<br />

lediglich über den Streit zwischen dem Esten Hans Bull und der Großen Gilde<br />

berichtet. Bull war „von undeutscher Abkunft“ und bat 1642 um die Ausstellung<br />

eines Geburtsbriefes, den er für den Verbleib in der Großen Gilde benötigte. Schon<br />

Bulls Vater hatte 1608 das Bürgerrecht der Stadt erlangt, welches nach seinem Tode<br />

1632 mit einem beträchtlichen Erbe auf den Sohn übergegangen war. Der Erwerb<br />

des Bürgerrechts war in der Stadt seit dem 15. Jahrhundert mit der Bedingung der<br />

ehrlichen Geburt verknüpft, was im Gegensatz zur Bedingung der ehelichen Geburt<br />

noch eine soziale Anforderung mit enthielt 89 . Obwohl Bull das Bürgerrecht erlangt<br />

hatte, weigerte sich die Gilde, ihn in ihren Reihen zu behalten. Der schwedische<br />

Generalgouverneur G. Oxenstierna setzte sich für ihn ein, die Gilde blieb bei ihrer<br />

Ablehnung. Nach erneuten Intrigen gegen Bull griff schließlich die Königin<br />

86 Vgl. A. v. Transehe-Roseneck, Gutsherr und Bauer in Livland im 17. und 18. Jahrhundert<br />

[Abhandlungen aus dem Staatswissenschaftlichen Seminar zu Straßburg, H. VII], Straßburg 1890, S.<br />

99f.<br />

87 Gadebusch, Jahrbücher III2, § 323, S. 742f.<br />

88 Der Terminus „Este“ setzt sich erst in den 60er und 70er Jahre des 19. Jahrhunderts allgemein<br />

durch, vgl. J. Kahk, Aufklärung und nationale Identität. Der Einfluß der progressiven Ideen auf die<br />

mentale Selbstfindung der Esten. In: O.-H. Elias (Hg.), Aufklärung in den <strong>Baltische</strong>n Provinzen<br />

[Quellen und Studien zur <strong>Baltische</strong>n Geschichte, Bd. 15], Köln-Weimar-Wien 1996, S. 43.<br />

89 Vgl. O.-H. Elias, Reval in der Reformpolitik, S. 11.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!