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Worten zur Einführung der Statthalterschaft Stellung nahm, jedoch kein Wort über<br />

die Erwartung der Zarin verlor, sie möge eigenständig um die Einführung bitten 67 .<br />

Die Stellungnahme der estnischen Ritterschaft fiel weit schärfer aus; sie stellte<br />

detailliert die bestehende Landesverfassung und die kaiserlichen Bestätigungen der<br />

Privilegien dar und wies auf die Differenzen zwischen alter und neue Verfassung<br />

hin, die eine Verbindung unmöglich mache. Mehrheitliche Ablehnung der<br />

Statthalterschaftsorganisationen kam aus den Stadtmagistraten, deren Mitglieder ihre<br />

gerichtliche Autonomie per Gesetz vernichtet sahen. Ein Beispiel kontroverser<br />

Haltungen der rigischen Ratsmitglieder der neuen Verwaltung gegenüber bietet der<br />

Streit zwischen J.C. Schwartz und dem ehemaligen Rektor der Domschule und<br />

späteren Pastor in Butzbach (Hessen-Darmstadt) Karl Philipp Michael Snell 68 .<br />

Während Snell, der 1787 nach Auseinandersetzungen mit dem alten Rat aus dem<br />

Amt geschieden war, sein Werk aus einem aufklärerisch begründeten Wunsch nach<br />

Trennung von Politik und Moral heraus schrieb, dem alten Rigaer Rat den Vorwurf<br />

machte, durch die Etablierung der eigenen Macht unmoralisch zu handeln 69 und<br />

nachdrücklich die Gewaltenteilung in der neuen Verfassung lobte, vertritt Schwartz<br />

einen ständisch geprägten Geschichtsbegriff, nach dem die alten Rechte unwandelbar<br />

und das ständische System moralisch integer waren.<br />

Der erste Schriftsteller, der über die Einführung der Statthalterschaft reflektierte, war<br />

der Rigaer Ratsherr Johann Christoph Berens. Nach den Wahlen für die neuen Justizämter<br />

veröffentlichte er eine Schrift, in der er versuchte, neue und alte<br />

Verfassung, aufklärerische und ständische Argumentationen übereinzubringen 70 .<br />

Der Adel äußerte sich nicht durchweg ablehnend<br />

71 , gerade die nicht<br />

aufzuheben [= zu allodizifieren, C.K.], wenn wir und dazu bequemen werden die Statthalterschaft<br />

anzunehmen und auf unsere Kosten eine Akademie in Dorpat zu errichten.“<br />

67 Vgl. F. Bienemann, Die Statthalterschaftszeit, S. 84- 89; zur Stellungnahme der estnischen Ritterschaft<br />

vgl. S. 91- 93.<br />

68 Vgl. K.P.M. Snell, Beschreibung der russischen Provinzen an der Ostsee, Jena 1794 und die Replik<br />

von J.C. Schwartz, Einige Bemerkungen über M. Karl Philip Michael Snell, Beschreibung der<br />

russischen Provinzen an der Ostsee; als eine Beilage oder ein Anhang dazu, Göttingen 1798.<br />

69 Vgl. über die Hochmütigkeit des alten Rates, der „immer mit Sünde beladen“ (S. 40), den Snell mit<br />

den „dreysig Tyrannen zu Athen, oder der Conjuration der Patricier zu Rom“ vergleicht und „eine<br />

verächtliche Oligarchie“ (S. 39f.) nennt; die Zeit der alten Verfassung wird als „Periode des<br />

oligarchischen Glanzes, und der politischen Charlatanerie“ (S. 302) bezeichnet.<br />

70 Zu J.C. Berens (1729-1792), der von 1760 bis 1765 als bevollmächtigter Vertreter Rigas in St.<br />

Petersburg , 1766 Sekretär der Ratskanzlei gewesen war und von 1771 bis 1786 das Amt eines Ratsherren<br />

in Riga bekleidete, vgl. DBL, S. 46; seine Schrift ‘Die gerettete Municipalverfassung’ erschien<br />

1783 in Riga.<br />

71 Hier ist F. Bienemanns Auffassung zu widersprechen, der behauptet, alle Stände hätten der neuen<br />

Verfassung ablehnend gegenüber gestanden, vgl. F. Bienemann, Die Statthalterschaftszeit, S. 87f.; die

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