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gründungen erklären, warum sie entstanden sind. Auch derartige Erklärungen sind<br />

selten anzutreffen, meist muß der Leser sich mit dem vermeintlich historischen<br />

Argument zufrieden geben, es sei von alters her so gewesen, der Beginn der<br />

ständischen Gliederung beruhe nicht auf menschlicher Willkür, sondern bilde einen<br />

nötigen, selbstverständlichen Wesenszug des livländischen „Staates“<br />

Anschauliche Modelle sind die in Livland bestehenden Korporationen der<br />

mittelalterlichen ständischen Gesellschaft, die sich relativ unverändert bis in das 18.<br />

Jahrhundert erhalten konnten und erst durch die Reformen der Zarin Katharina<br />

bedroht waren. Die Gliederung der Gesellschaft in Stände wird als Basis für ein<br />

harmonisches Zusammenleben gesehen 11 . Gadebusch konstruiert ein komplexes<br />

Bild einer gesellschaftlich- korporativen Form der Verfassung, das an die „pouvoirs<br />

intermédaires“ Montesquieus erinnert, aber auch über dessen Konzept hinausgeht 12 .<br />

Die Dauerhaftigkeit und Stabilität der Verfassung hängt von der Fähigkeit der Stände<br />

ab, ihre Rechte zu bewahren. Standesunterschiede ergeben sich aufgrund der<br />

unterschiedlichen Qualität und Quantität an Eigentum. Diese Vorstellung war im 18.<br />

Jahrhundert weit verbreitet, so findet man bei F.C. Moser die These, sogenannte<br />

„Mittels-Corpora“ - d.h. Land- und Reichsstände - seien in allen Regierungsformen,<br />

besonders in Monarchien notwendig, um den gefährlichen Abweg in den<br />

Despotismus zu verhindern 13 . Gadebuschs Briefpartner, der Tormasche Pastor J.G.<br />

Eisen, erklärte in einem Brief vom 26. Mai 1774:<br />

„So lange die Stände nicht richtig abgeteilet sind, so arbeiten sich die Souverains mit<br />

allen ihren Kameralisten zu schanden. Ist der aber richtig, so kann eine ganze<br />

Succession von Souverains groß werden.“ 14<br />

10 .<br />

In der Frage nach der Ständeordnung erschöpft sich die Eigenart des Beitrags Gadebuschs<br />

zur Gesellschaftslehre nicht. Er entwirft ein Gegenbild zum<br />

obrigkeitsstaatlich-patriarchalischen Verfassungsdenken seiner Zeit, indem er für<br />

weitgehende Autonomie der Stände eintritt. In dieser den Ständen - auch den Bauern<br />

10 Vgl. z.B. Gadebusch, Jahrbücher II1, § 95, S. 180 zu dem Jahr 1576, die Stadt Riga „suchte also<br />

selbst, sich so gut als möglich bey ihrer Freyheit und Unabhängigkeit zu schützen. Sie erhielt sich<br />

auch, durch das, nach uralter Einrichtung, unter die drey Stände, nämlich den Rath, die große und<br />

kleine Gilde, vertheilte Stadtregiment.“<br />

11 O. G. Oexle bezeichnet diese mittelalterliche Vorstellung treffend als „Harmonie durch Ungleichheit“,<br />

vgl. O.G. Oexle, Die funktionale Dreiteilung als Deutungsschema der sozialen Wirklichkeit in<br />

der ständischen Gesellschaft des Mittelalters. In: W. Schulze (Hg.), Ständische Gesellschaft und<br />

soziale Mobilität [Schriften des <strong>Historische</strong>n Kollegs, Kolloquien 12], München 1988, S. 22.<br />

12 Vgl. Montesquieu, De l’esprit des lois, B. II, Kap. 4, übs. und hg. von E. Forsthoff, Tübingen 1992,<br />

S. 28.<br />

13 Vgl. F.C. von Moser, Beherzigungen, Frankfurt 3 1762, S. 612.

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