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ren, das Bestreben, durch dem natürlichen Recht angenäherte Gesetze die größtmögliche<br />

Glückseligkeit eines naturgemäß regierten Volkes herbeizuführen. Das<br />

Russische Reich wird in den ersten Paragraphen als ein europäischer Staat<br />

dargestellt, der nur von einem souveränen Herrscher regiert werden kann. Dieser<br />

gewährleistet als Quelle aller Macht mit - dem „esprit“ des Landes entsprechenden -<br />

Gesetzen die Existenz einer Verfassung, die das Wohl aller Untertanen als<br />

Staatsbürger zum Ziel hat. Katharina II. übernimmt von Montesquieu die Definition<br />

der positiven Gesetze, deren Sinn sie darin bestimmt, die Sicherheit eines jeden<br />

Individuums zu beschreiben und zu gewährleisten 142 .<br />

Für die Kapitel 9 und 10 des ‘Nakaz’, die sich mit dem Strafrecht und der Gesetzpflege<br />

beschäftigen, ist die in der Zeit von März 1763 bis Januar 1764 entstandene<br />

Abhandlung ‘Delle delitte e delle pene’ des italienischen Juristen C. Beccaria, die<br />

sich auch in Gadebuschs Nachlaß fand 143 , von maßgeblicher Bedeutung. Katharina<br />

adaptiert dessen humanistisch geprägte Vorstellungen, mit denen er gegen<br />

menschenunwürdige Mißstände im Strafrecht und Strafprozeß ankämpfte und die<br />

Gedanken der Philosophie der Aufklärung in das Rechtsleben übertrug. Beccaria<br />

vertrat die Vorstellung von Sinn und Zweck der Strafen und forderte für<br />

Gerichtsverhandlungen Öffentlichkeit, wie er in seiner „Conclusione“ darlegt:<br />

„Da quanto si è veduto finora può cavarsi un Teorema generale molto utile, ma poco<br />

conforme all’ uso, legislatore il più ordinario delle Nazioni, cioè perchè ogni pena<br />

non sia una violenza di uno, o di molti contro un privato Cittadino, dev’ essere<br />

essenzialmente pubblica, pronta, necessaria, la minima delle possibili nelle date<br />

circostanze, proporzionata ai delitti, dettata dalle Leggi [Hervorhebung im Original,<br />

C.K.].“ 144<br />

Den Richtern kommt die Aufgabe zu, aus den allgemeinen Gesetzen und der vorliegenden<br />

Strafhandlung einen Syllogismus zu erstellen und aus diesem ein Urteil zu<br />

fällen, die richterliche Gesetzesauslegung hält Beccaria ebenso wie Montesquieu für<br />

ein grundsätzliches Übel, da er in ihr den Akt einer willkürlichen Rechtsetzung sieht<br />

142 Vgl. Nakaz, Kap. V, § 33 u. Montesquieu, De l’esprit des lois, B. 3, Kap. 5 [übs. u. hg. v. E.<br />

Forsthoff, S. 38], in dem er konstatiert, die Gesetze seien in einer Monarchie an die Stelle der politischen<br />

Tugenden, d.h. der auf das Gemeinwohl gerichteten, getreten.<br />

143 Vgl. J.M. Hehn, Verzeichniß, S. 92, Nr. 331a.<br />

144 C. Beccaria, Dei delitti e delle pene, terza edizione rivista, corretta, e notabilmente accresiuta<br />

dall’autore, Lausanne ³1765, S. 126, § 45 [„Aus allem, was man bisher gesehen hat, kann man einen<br />

allgemeinen sehr nützlichen Lehrsatz ziehen, der aber wenig konform zu den Regierungsgebräuchen<br />

der meisten gewöhnlichen Nationen ist, das ist, damit jede Strafe nicht die Gewalttätigkeit eines<br />

Einzelnen oder mehrerer gegen einen einzelnen Bürger sei, so muß sie wahrhaft öffentlich, sofort,<br />

notwendig , so gelinde wie nach den gegebenen Umständen möglich, den Verbrechen angemessen<br />

und durch die Gesetze bestimmt sein.“, C.K.]

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