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Download - Baltische Historische Kommission

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betrachteten die Historiographie als eine Spielart der Tradition - mit den Begriffen J.<br />

Assmanns des „kollektiven Gedächtnisses“. Problematisiert wird das Verhältnis von<br />

Geschichte und Erinnerung erst im 19. Jahrhunderts durch den Historismus.<br />

Gadebuschs Umgang mit der livländischen Landesgeschichte bewegt sich zwischen<br />

einem konservativen Pol der Überlieferungspflege und der traditionskritischen Forschung<br />

als jeweilige Erinnerung des aus dem Bewußtsein Verlorenen und dem der<br />

erinnernden Forschung, die sich kritisch gegen schnelle Wandlungen richtet. Er<br />

ordnet die Geschichtsschreibung eng der Erinnerung zu und betrachtet sie wesentlich<br />

als eine Form des „sozialen Gedächtnis“ - ohne Kenntnis dieser Begrifflichkeit -, läßt<br />

die unabhängige und kritische Funktion der Geschichte aber nicht hinter den Formen<br />

und Inhalten des Gedenkens zurücktreten. In diesem Verständnis wird Vergangenheit<br />

nur durch Erinnerung zur Geschichte. Die Erinnerung manifestiert sich bei<br />

Gadebusch in dem allen „Livländern“ gemeinsamen Wissen um „denkwürdige“<br />

Personen und Ereignisse. Auf diesem Weg wird die Geschichte zu einer geistigen<br />

Form, mit der Menschen Rechenschaft über ihre Vergangenheit ablegen und eine<br />

Basis schaffen, um aus der Vergangenheit Gemeinsamkeiten zu konstruieren, deren<br />

Ausprägung in Kapitel 10.5.) betrachtet werden soll.<br />

Wegbereiter für Gadebuschs Art der Geschichtsbetrachtung ist neben Voltaires<br />

‘Essai’ 12 die ‘Geschichte der Menschheit’ des Schweizer Historikers I. Iselin 13 , der<br />

die historischen Abläufe unter Berücksichtigung von kulturell-historischen Gesichtspunkten<br />

beschreibt und Geschichte als Fortgang von einem der Kindheit<br />

vergleichbaren Stadium bis hin zum höchsten Grad der Vernunft betrachtet. Diese<br />

Vorstellung wird von Herder, der Geschichte nicht mehr als linearen Ablauf eines<br />

permanenten Fortschritts, sondern als eine organische Entwicklung analog zu den<br />

menschlichen Lebensaltern verstand, wieder aufgenommen und in romantischer<br />

Philosophie weitergeführt 14 . Gadebusch sieht die Wurzeln alles Geschichtlichen im<br />

Bereich des Kulturellen und schreibt so über weite Passagen Kulturgeschichte mit<br />

Ausblicken auf Sozial- und Wissenschaftsgeschichte, ohne die Begriffe selbst zu<br />

kennen und zu nennen. In diesen Zusammenhang sind auch diejenigen Passagen der<br />

‘Jahrbücher’ einzuordnen, die nach Maßgabe heutiger Kriterien als entbehrlich für<br />

die Geschichte eines Landes erscheinen würden, wie die zahlreichen Erwähnungen<br />

12 Vgl. Voltaire, Essai sur l’histoire generale, et sur les moeurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne<br />

jusqu’a nos jours, 8 Teile o.O. 1761-1763.<br />

13 Vgl. I. Iselin, Geschichte der Menschheit, 2 Bde. 1764.<br />

14 Vgl. J.G. Herder, Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, 1774.

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