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Download - Baltische Historische Kommission

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176<br />

Generalgouverneur G. von Browne vom 8. Februar bis zum 3. März 1769 engagiert,<br />

doch im Endeffekt erfolglos bemühte.<br />

Gadebusch unterscheidet zwischen den Ständen nicht nur mittels rechtlicher<br />

Regelungen, sondern auch durch verbindliche Wertdeutungen, da<br />

Standeszugehörigkeit seiner Ansicht nach Synonym für eine Lebensnorm ist. Jeder<br />

Untertan eines Gemeinwesen ist gehalten, seiner ständischen Position gemäß zu<br />

handeln, das Seinige zu tun und sich nicht anmaßend gegen höhere Schichten<br />

aufzulehnen, da so Ordnung und Ruhe der Gesellschaft durcheinandergeraten.<br />

Soziale Mobilität ist in diesem Gesellschaftsbild nicht vorgesehen. Gadebusch<br />

Vorstellung einer gesellschaftlichen Stabilität durch Bewahrung der traditionellen<br />

Ständeordnung lassen sich an den in Kapitel 4.8.5.) betrachteten Schilderungen der<br />

Stadtunruhen Dorpats ablesen, die immer dann entstanden, wenn einzelne gegen die<br />

gesetzte Ordnung verstießen, wie es zum Beispiel 1674 durch „den berüchtigten<br />

Altermann der großen Gilde Johann Simon Heer“ 6 geschehen war. Heer wollte<br />

gegen den Widerstand von Gilde und Rat sein Amt als Ältermann behalten und<br />

geriet überdies mit dem Kommandanten der Stadt in Kompetenzstreitigkeiten. Vor<br />

dem Hofgericht wurde er wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, von Amt und Ehre<br />

enthoben, was für Gadebusch die angemessene Strafe für Eigennutz, der dem<br />

„gemeinen Besten“ zuwider ist, darstellt:<br />

„Das war das Ende eines Mannes, der zuerst wider seine ordentliche Oberkeit, hernach<br />

gar wider seinen König gehandelt, und bey der Bürgerschaft zum Bellhammel<br />

gedient hatte.“ 7<br />

Auch Könige sind nicht vor unstandesgemäßem Verhalten gefeit und brechen aus<br />

dem sozialen Gefüge aus, wie das Beispiel des polnischen Königs Johann II. Kasimir<br />

zeigt. Dieser verstieß gegen die ständische Ordnung, indem er sich nach dem Tode<br />

seiner Gemahlin in Frankreich einer verwitweten Marschallin de l’Hopital zuwandte,<br />

deren Stand weit unter dem seinen lag (im Französischen wird sie als „grisette“ -<br />

leichtfertiges junges Mädchen - bezeichnet), was in einer spöttischen aus den<br />

‘Lettres historiques’ übernommenen Anekdote geschildert wird:<br />

„Diese Wittwe war einer Leinwandkrämerinn Tochter zu Grenoble. Der Schreiber<br />

eines alten Parlamentsrathes verliebete sich in sie, und entschloß sich, nach vieler<br />

6 Gadebusch, Jahrbücher III2, § 82, S. 117.<br />

7 Gadebusch, Jahrbücher III2, § 82, S. 124; vgl. die Gedanken Platos, der jegliches Überschreiten von<br />

Standesgrenzen und die Einmischung in die Aufgaben anderer Stände als Frevel bezeichnet, Platon,<br />

Politeia 433a u. d [Sämtliche Werke, Bd. 3, hg. v. E. Grassi], o.O. 1961, S. 159.

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