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Download - Baltische Historische Kommission

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gezogenen Fakten als „rohe Klumpen“ 82 , die der Historiker bearbeiten muß, so<br />

erliegt er in der Praxis doch der Gefahr, den Quellen zu häufig unbeschränktes<br />

Vertrauen zu schenken und sie wörtlich zu interpretieren oder gar nachzuschreiben<br />

mit der Formel „ich folge hier [...]“, wenn sie nicht in zu offensichtliche<br />

Widersprüche verwickelt waren. In den ‘Jahrbücher[n]’ läßt sich in der Bewertung<br />

der Quellen eine gewisse Erstarrung der Methode feststellen, die theoretisch<br />

angemahnte ausführliche Überprüfung der Quellen gestaltet sich als mechanisch<br />

betriebenes Handwerk, Gadebusch läßt so - nach seiner eigenen Formulierung „den<br />

Kern liegen und brauchet die Schale.“ 83 Wichtigste Aufgabe eines Historikers ist für<br />

Gadebusch der Nachweis der Echtheit einer Quelle, den er im Anmerkungsapparat<br />

erbringt, Entscheidungen über inhaltliche Korrektheit treten an die zweite Stelle. Zu<br />

dieser mechanischen Kritik gehört die Beschreibung der äußeren Gestalt einer Quelle<br />

(wie ist sie besiegelt und unterschrieben?). Stößt er auf strittige Fälle, die er nicht<br />

eindeutig lösen kann, so begnügt er sich häufig mit einer unkommentierten<br />

Aufzählung der Stimmen, die für oder gegen die in der Quelle festgehaltenen<br />

Tatsachen sprechen, nur zaghaft wagt er es, zweifelhafte Fälle mit Hilfe<br />

rationalistischer Interpretationen zu einer für die weitere Geschichtsschreibung<br />

brauchbaren Aussage umzuformen und versucht so, den Leser an dem Forschungsprozeß<br />

zu beteiligen, indem er ihm ein resümierendes Urteil überläßt.<br />

Als Muster von Gadebuschs Quellenbearbeitung können seine Überlegungen zu<br />

einem Freiheitsbrief aus dem Jahr 1277 betrachtet werden, den er von dem Lübecker<br />

Dompropst und Syndikus J.C.H. Dreyer überliefert fand 84 . In diesem soll der<br />

Erzbischof Johann nebst dem Bischof von Oesel und dem Meister des<br />

Schwertbrüderordens Kaufleuten, die über die Ostsee nach Livland kamen, einen<br />

Freiheitsbrief ausgestellt haben. Dreyer belegt die Authentizität seiner Quelle mit<br />

vier verschiedenen Überlieferungen: das Original sei 1294 vom Lübecker Kanzler<br />

Albert von Bardowiek in einer Pergamenthandschrift kopiert worden, 1321 als<br />

Original-Transsumt der Predigerbrüder und Minoriten zu Wisby und 1321 und 1469<br />

82 Gadebusch, Jahrbücher I1, unpaginiertes Vorwort [8. S.].<br />

83 Vgl. Gadebusch, Rede, worinn einige Begebenheiten der älteren Geschichte Lieflands erläutert<br />

werden, S. 186f.: „Diese Leute [Hiärne und Kelch, C.K.] haben Nachrichten aus den Archiven gehabt;<br />

aber, wenn diejenigen, welche den Archiven vorstehen, nicht wissen, wie sie benützet werden<br />

können; so läßt man den Kern liegen und brauchet die Schale.“<br />

84 Vgl. J.C.H. Dreyer, Specimen Juris publici Lubecensis, quo pacta conventa et privilegia, quibus<br />

Lubecae per omnen propemodum Europam circa inhumanum ius naufragii (Strand- Recht) est prospectum,<br />

ex authenticis recensuit ... qui etiam mantissae loco ius maritimum Lubecense antiquissimum<br />

[...] compositum ex membranis edidit, Bützow und Wismar o.J., S. 160.

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