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Download - Baltische Historische Kommission

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städtischen Ratsverfassung an seine Zeitgenossen zu richten. Die Härte des<br />

eingeforderten Gehorsamkeitsverhältnisses sieht er dadurch gemildert, daß es im<br />

Idealfall auf gegenseitiger Hochachtung und Vertrauen zwischen Rat und<br />

Bürgerschaft aufbauen sollte. Der Rat hat durch Wohltaten für die Stadtbewohner zu<br />

sorgen und erscheint in den ‘Jahrbücher[n]’ als geschlossene Korporation, die stets<br />

„das Beste der Stadt suchte und die Wohlfahrt der Bürger zu befördern trachtete [...]“<br />

254 . Im Gegenzug sind die Bürger verpflichtet, dem Rat die finanziellen Mittel zu<br />

seiner Amtsführung zu gewähren und sollen nicht<br />

„durch ein unerlaubtes und ungegründetes Mistrauen in ihre ordentliche Oberkeit,<br />

ihre eigene Wohlfahrt verhindern, und sich von solchen, denen das wahre Beste nicht<br />

am Herzen lieget, verleiten lassen.“ 255<br />

So kann man bei Gadebusch von der Vorstellung eines Verhältnisses gegenseitiger<br />

Pflichten zwischen Stadtobrigkeit und Untertanen sprechen.<br />

Die ‘Jahrbücher’ sind für die Stadtgeschichte Dorpats als patrizische Quelle zu lesen,<br />

die mit bestimmten Argumentationstechniken operiert und die „bürgerliche“ Politik<br />

als geschwätzig und umständlich denunzieren möchte. Die Aktivitäten des Rates und<br />

seine personelle Zusammensetzung werden ausführlich geschildert und Gadebusch<br />

wird nicht müde zu betonen, daß der Rat am besten wisse, wie die Geschäfte der<br />

Stadt besonders effektiv zu regeln seien. Die Politik der Gilden dagegen erscheint -<br />

nicht immer offen ausgesprochen - als konfus, umständlich, unzuverlässig und ohne<br />

Sachverstand geführt. Der Verhandlungsstil der Rates im Konflikt mit den Stadtbürgern<br />

ist untadelig, geprägt von Alltagsweisheit und Prinzipien, denen zufolge nichts<br />

geschehen darf, was die Ehre der Stadt kränken könnte und alten Bräuchen zuwider<br />

ist. Um Alltagswissen und wichtige politische Entscheidungen für die Zukunft aufzubewahren,<br />

werden Ratsprotokolle geführt und ein Archiv angelegt, das in strittigen<br />

Fällen konsultiert werden kann. Den Gilden fehlt in Gadebuschs Sichtweise der weitreichende<br />

Blick des Rats, der sowohl auswärtige Fragen des Handels (speziell der<br />

Hanse), den Wert diplomatischer Reisen und die Ausprägung der jeweiligen Landesherrschaft<br />

umfaßt, ihre Sichtweise bleibt auf den engen Stadtbereich und ihre eigene<br />

finanzielle Wohlfahrt beschränkt. Beherrschend in Gadebuschs historischpolitischem<br />

Denken bezüglich der Stadtgeschichte ist der Widerstreit zwischen<br />

254 Gadebusch, Jahrbücher III1, § 148, S. 245.<br />

255 Gadebusch, Jahrbücher III2, § 147, S. 285f.

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