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Psychiatrische Pflege, psychische Gesundheit und Recovery ...

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konnte. Die ganze Wohnung wirkte etwas klebrig <strong>und</strong> ich schwebte elfengleich<br />

durch die Räume weil ich mich doch ein wenig ekelte. Herr E. bemerkte dies<br />

durchaus <strong>und</strong> grinste mich auffordert an. „Na ja“, bemerkte ich etwas betreten,<br />

„für mich ist das schon ein wenig unangenehm. „Ach machen Sie sich<br />

nichts draus, man kann sich an alles gewöhnen“, war seine Replik. Das habe<br />

ich dann auch tatsächlich erst mal versucht, denn ich hatte jetzt auch weder<br />

Lust noch Zeit, die Wohnung zu säubern <strong>und</strong> dass hätte sich Herr E. wahrscheinlich<br />

auch verbeten. Vielmehr sprachen wir nun darüber, dass der B<strong>und</strong>esligafußballclub<br />

TSG Hoffenheim jetzt ja in der B<strong>und</strong>esliga spiele <strong>und</strong> wenn<br />

die so weiter machen, demnächst sogar in der 1. Liga.<br />

Erarbeitung von Akzeptanz <strong>und</strong> gegenseitiger Wertschätzung:<br />

Aber wir sind dann noch dazu gekommen, die Wochendosette mit den Medikamenten<br />

zu richten. Herr E. nahm umständlich (aus meiner Sicht) die tageszeitlich<br />

orientierte Dosierung vor – also für jede Tageszeit die komplette Dosierung<br />

<strong>und</strong> dann die Nächste. Ich hätte ja z. B. erst mal für jeden Morgen die<br />

Akineton retard eingegeben usw. Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als<br />

mich auf die langwierige Prozedur einzulassen – sonst hätten wir gleich Streit<br />

bekommen. Nach dieser ersten Versorgung trennten wir uns mit einem guten<br />

Gefühl. Es kommen ja noch so viele Besuche.<br />

Rituale entstehen<br />

Ja <strong>und</strong> diese vielen Besuche dauern bis heute an. Wir haben viel über Fußball<br />

geredet – dass kann man immer. Aber wir haben auch kleine Ziele verabredet<br />

(die Medikamente alleine richten <strong>und</strong> wir schauen noch mal nach), <strong>und</strong> mal<br />

über größere Ziele geredet (eine Wohnung im Grünen wäre als Alternative<br />

mitten in der Kleinstadt natürlich toll). Wir haben gemeinsam über Übertreibungen<br />

gelacht (Warum finanziert ALG II eigentlich die Versorgung nicht auf<br />

den Kanarischen Inseln – da kann man doch billiger leben). Letztendlich entstand<br />

so etwas wie ein vertrauliches Ritual. Natürlich sah <strong>und</strong> sieht dies bei<br />

jedem Kollegen etwas anders aus. Unsere Damen sprechen leider nicht so<br />

gern über Fußball – aber sie haben ein anderes Thema gef<strong>und</strong>en. Für das Entstehen<br />

solcher Rituale, die dann für den Patienten ein fester Baustein in seinem<br />

Tagesablauf sind, benötigen wir im Wesentlichen aktives Zuhören, die<br />

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