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Psychiatrische Pflege, psychische Gesundheit und Recovery ...

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müsste, nur damit ich betroffen genug klinge, um aus der Betroffenenperspektive<br />

sprechen zu „dürfen“. Ich glaube, das wäre eine unbefriedigende Lösung,<br />

es würde nicht mehr passen. Für mich besteht die Konsequenz der Beobachtung<br />

– dass meine Sprache viele Fachbegriffe enthält – eher darin, mir klar zu<br />

machen, dass meine Rolle sich verändert hat. Heute habe ich neben meinen<br />

Erfahrungen mit Borderline auch Erfahrungen mit einem Hochschulstudium<br />

<strong>und</strong> im Berufsalltag. Ich spreche nicht mehr nur als „die Betroffene“, sondern<br />

als Person mit „Doppelqualifikation“, die aus verschiedenen Perspektiven<br />

berichten kann. Ein <strong>Recovery</strong>prozess bedeutet für mich auch, in neue Rollen<br />

hineinzuwachsen, sich damit auseinanderzusetzen <strong>und</strong> in anderer Weise zu<br />

Wort zu kommen. Als Fachperson muss ich heute am Arbeitsplatz natürlich die<br />

Fachsprache beherrschen. Im Kontakt mit Betroffenen außerhalb der Klinik,<br />

kann ich mich auf der Peer-Ebene aber auch prima über „Schnippeln“ statt<br />

über „Selbstverletzung“ unterhalten, aber das gehört dann nicht in mein Berufsvokabular.<br />

<strong>Recovery</strong> erfordert also auch, die eigene Rolle immer wieder zu<br />

reflektieren <strong>und</strong> Bereiche trennen zu können.<br />

<strong>Recovery</strong> bedeutet für mich auch, das eigene Selbsthilfepotential zu nutzen.<br />

Ich gehe ich davon aus, dass jeder Mensch Möglichkeiten zur Selbsthilfe, <strong>und</strong><br />

damit auch der Einflussnahme auf <strong>Recovery</strong>-Prozesse, besitzt. Es muss nur<br />

gelingen, dass den Betroffenen diese Möglichkeiten selbst bewusst werden.<br />

Und ich glaube, dass es da nicht den einen Weg gibt, sondern, dass alle ihren<br />

eigenen Weg finden müssen. Im Sinne der Idee „ansteckender <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ [5]<br />

bin ich mir aber sicher, dass es dabei gut möglich ist von anderen zu lernen,<br />

die Selbsthilfeideen anderer zu nutzen, die sich in ähnlichen Situationen befinden<br />

wie man selbst. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf einzelne Selbsthilfeideen<br />

für Menschen mit Borderline eingehen. Eine ausführliche Beschreibung<br />

dazu findet sich in unserem Selbsthilfebuch [4].<br />

Ich habe mich in meinem Studium mit Biographieforschung beschäftigt. Dabei<br />

habe ich mich mit einer Studie von Gerhard Riemann befasst. Er setzt sich mit<br />

dem „Fremdwerden der eigenen Biographie“ [7] psychiatrischer Patienten<br />

auseinander. Ich glaube, dass <strong>Recovery</strong>geschichten davon erzählen, wie die<br />

eigene Biographie wieder vertraut wird <strong>und</strong> wie das Vertrauen wächst, die<br />

eigene Biographie wieder aktiv mitzugestalten. Oder wie es eine Betroffene in<br />

der Beschreibung ihres Ges<strong>und</strong>ungsprozesses darstellt: „Ich kann mir wieder<br />

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