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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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150 RECHT AUF GESUNDHEIT<br />

GESCHICHTE ZUR ILLUSTRATIoN<br />

Maryam ist 36 Jahre alt und Mutter von sechs<br />

Kindern. Sie wuchs in einem Dorf weit weg<br />

von urbanen Zentren auf. Sie beendete die<br />

Schule nach der zweiten Klasse. Ihre Eltern waren<br />

arm, und der Schulweg bedeutete vier Kilometer<br />

Fußmarsch. Ihr Vater war der Meinung,<br />

dass Schulbildung für ein Mädchen Zeit- und<br />

Energieverschwendung sei, weil Mädchen für<br />

die Ehe bestimmt sind und nicht dazu, selbst<br />

ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />

Mit zwölf wurde Maryam nach den lokalen Traditionen<br />

beschnitten. Als sie 16 wurde, verheiratete<br />

man sie mit einem Mann Anfang 50. Ihr<br />

Vater verdiente eine beträchtliche Summe mit<br />

der Mitgift, die ihm der Bräutigam zahlte. Im<br />

darauf folgenden Jahr brachte sie einen Sohn<br />

zur Welt. Das Baby wurde tot geboren. Das örtliche<br />

Krankenhaus war zehn Kilometer entfernt<br />

und hatte keine Gebärstation. Maryam glaubte,<br />

dass die vielen Prügel, die sie während der<br />

Schwangerschaft von ihrem Ehemann bekam,<br />

zur Totgeburt ihres Babys führten. Dennoch gaben<br />

ihre Eltern und viele Dorfbewohner ihr die<br />

Schuld an der Totgeburt.<br />

Maryam hatte kein Verlangen nach Sex mit<br />

ihrem Ehemann. Sie hatte Angst vor ihm und<br />

Angst vor weiteren Schwangerschaften. Ihr Ehemann<br />

hielt jedoch den ehelichen Geschlechtsverkehr<br />

für sein Recht und zwang sie regelmäßig<br />

dazu. Maryam wollte nicht wieder schwanger<br />

werden, aber sie hatte kaum eine Wahl. Sie<br />

suchte den örtlichen Kräuterdoktor auf, nahm<br />

Kräutermischungen ein und trug Amulette –<br />

ohne jeglichen Erfolg. Sie hatte selten Zeit, ein<br />

Krankenhaus aufzusuchen, und wenn sie dort<br />

war, weil ihre Kinder krank waren, konnte sie<br />

sich nicht dazu überwinden, mit der Krankenschwester<br />

über Verhütung zu sprechen. Obwohl<br />

die Krankenschwester Maryams lokale Sprache<br />

zu verstehen schien, sprach sie lieber in der dominanten<br />

Sprache der Hauptstadt und der gebildeten<br />

Schicht. Die Krankenschwester flößte<br />

Maryam Angst ein.<br />

Ihr Leben war eine lange Geschichte der Gewalt,<br />

Armut und Not. Maryam hatte Mühe, während<br />

ihrer vielen Schwangerschaften und der Erziehung<br />

ihrer Kinder Körper und Seele zusammen<br />

zu halten. Sie bebaute eine kleine Parzelle Land,<br />

um ihre Kinder zu ernähren, denn ihr Mann<br />

gab ihr nie genug Geld. Sie bat ihre Eltern und<br />

sogar die vorbeikommenden Missionare um<br />

Hilfe. Doch alle rieten ihr, ihrem Ehemann zu<br />

gehorchen und erinnerten sie daran, dass ihr<br />

Platz bei ihm und der Familie war.<br />

Eines Tages beschuldigte sie ihr Ehemann, dass<br />

sie ihn mit einem anderem Mann betrogen<br />

habe. Er warf ihr vor, dass er sie am Markttag<br />

gesehen habe, wie sie mit einem Dorfbewohner<br />

lachte und sich unterhielt. Als sie schnippisch<br />

antwortete, schlug er sie wiederholt, warf sie<br />

zu Boden, nannte sie eine Hure und schwor,<br />

seine verletzte Ehre zu rächen. Maryam war<br />

schwer verletzt, sie dachte, sie hätte gebrochene<br />

Rippen. Wochenlang konnte sie das Haus<br />

nicht verlassen. Sie hatte weder Geld noch die<br />

Möglichkeit, das Gesundheitszentrum aufzusuchen.<br />

Niemand im Dorf half ihr, obwohl<br />

einige dachten, dass ihr Ehemann zu weit<br />

gegangen war. Eine Frau ist schließlich Sache<br />

ihres Ehemanns. Da sie nicht in der Lage war,<br />

zum Markt zu gehen oder sich um den Garten<br />

zu kümmern, verhungerten sie und ihre Kinder<br />

beinahe.<br />

Maryam spürte, dass es auch in der Zukunft<br />

Gewalt geben würde. Sie fürchtete um ihr Le-

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