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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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72 VERBoT DER FoLTER<br />

GESCHICHTE ZUR ILLUSTRATIoN<br />

Am 25. November 1991 um etwa neun Uhr<br />

früh wurde ich auf der Straße von der Polizei<br />

angehalten. Da gab es noch keine Probleme<br />

... Ich wurde dennoch zur Polizeiwache Bobigny<br />

gebracht. Man brachte mich in den ersten<br />

Stock, wo etwa acht Leute begannen, mich<br />

zu schlagen. Ich musste niederknien. Ein Polizeibeamter<br />

zog mich an den Haaren nach<br />

oben. Ein anderer Polizeibeamter schlug mich<br />

wiederholt mit einem Gegenstand, der einem<br />

Baseballschläger ähnelte. Ein dritter trat und<br />

schlug mich unentwegt in den Rücken. Die Befragung<br />

verlief ohne Unterbrechung etwa eine<br />

Stunde lang ...<br />

Am 26. November 1991 wurde ich wieder von<br />

mehreren Polizeibeamten – drei oder vier – befragt,<br />

irgendwann an diesem Tag. Diesmal<br />

zogen sie mich an den Haaren, verprügelten<br />

mich und schlugen mich mit einem Stock ...<br />

Sie fuhren mit den Angriffen bis etwa ein Uhr<br />

nachts fort. Ich glaube, dass diese Phase der<br />

Misshandlungen um etwa sieben Uhr abends<br />

begonnen hatte. Irgendwann ließen sie mich<br />

auf den langen Korridor hinaus gehen, wo<br />

der Beamte, den ich für den Befehlshaber hielt,<br />

mich bei den Haaren packte und mich den<br />

Gang hin und her laufen ließ während sich<br />

die anderen auf beiden Seiten aufstellten, um<br />

mich zu Fall zu bringen ...<br />

Danach wurde ich in ein Büro gebracht, und<br />

man drohte mir mit Verbrennungen, wenn ich<br />

nicht sprechen sollte. Als ich mich dennoch<br />

weigerte, entzündeten sie zwei Lötlampen, die<br />

mit zwei kleinen blauen Gasflaschen verbunden<br />

waren. Sie zwangen mich, mich hinzusetzen<br />

und platzierten die Lötlampen etwa einen<br />

Meter vor meinen Füßen, an denen ich keine<br />

Schuhe mehr hatte. Gleichzeitig schlugen sie<br />

mich. Nach dieser Misshandlung drohten sie,<br />

mir eine Spritze zu injizieren. Als ich diese<br />

sah, riss ich meinen Hemdsärmel auf und sagte:<br />

„Los doch, ihr traut euch doch nicht!“ Wie<br />

ich es vorausgesehen hatte, machten sie ihre<br />

Drohung nicht wahr.<br />

Die Polizeibeamten ließen mich daraufhin<br />

etwa 15 Minuten lang in Ruhe, dann sagte<br />

einer von ihnen: „Ihr Araber werdet gerne in<br />

den Arsch gefickt.“ Sie ergriffen mich, zwangen<br />

mich dazu mich auszuziehen, und einer<br />

von ihnen führte einen kleinen schwarzen<br />

Schlagstock in meinen Anus ein.<br />

(Als Herr Selmouni diese Szene berichtet, beginnt<br />

er zu weinen.)<br />

Ich bin mir bewusst, wie ernst das, was ich Ihnen<br />

erzähle, ist. Aber es ist die reine Wahrheit,<br />

ich habe wirklich unter diesen Misshandlungen<br />

gelitten ...<br />

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />

hat nach Prüfung der Fakten und Beweise<br />

des Falles Selmouni gegen Frankreich<br />

am 28. Juli 1999 einstimmig entschieden, dass<br />

Art. 3 (Verbot der Folter) der Europäischen<br />

Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten verletzt wurde.<br />

Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte.<br />

1999. Fall Selmouni gegen<br />

Frank reich. Urteil vom 28. Juli 1999. Strassburg,<br />

Frankreich.

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