MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz
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162 RECHT AUF GESUNDHEIT<br />
navien und den USA beziehen jeweils 12 bis<br />
16 repräsentative BürgerInnen in die Entscheidungsfindung<br />
ein, welche die ihnen gegebenen<br />
Informationen prüfen, ExpertInnen befragen,<br />
diskutieren, entscheiden und ihre Schlussfolgerungen<br />
veröffentlichen. Die auftraggebende<br />
Behörde muss innerhalb einer bestimmten Zeit<br />
antworten. In Großbritannien zeigen Pilotstudien,<br />
dass diese Panels besser mit komplexen<br />
Themen umgehen und solidere Lösungen finden<br />
als Umfragen, Schwerpunktgruppen und<br />
öffentliche Versammlungen. Es ist offensichtlich,<br />
dass gewöhnliche BürgerInnen gewillt<br />
sind, sich direkt in die Entscheidungsfindung<br />
einzubringen, und dass sie eindeutige und<br />
klare Vorstellungen darüber haben, welche<br />
Art von öffentlichem Gesundheitswesen sie<br />
für sich und ihre Familien möchten.<br />
Der Eid von Malicounda<br />
In den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts<br />
entwickelte eine Basisorganisation im Senegal<br />
einen problemorientierten Lehrplan, der ein<br />
ganzes Dorf in das Lernen über die Menschenrechte<br />
und in die Anwendung dieses neu erworbenen<br />
Wissens im täglichen Leben einband.<br />
Das Programm eröffnete den TeilnehmerInnen<br />
die Möglichkeit, sich mit Gesundheit, Hygiene,<br />
Umweltfragen, finanziellem Know-how<br />
und Fertigkeiten des Materialmanagements zu<br />
befassen. Die NGo ToSTAN startete ein Programm<br />
in Malicounda, einem Dorf mit 3.000<br />
EinwohnerInnen. Malicounda ist ein ort aus<br />
einer Gruppe von Bambaradörfern, in denen<br />
noch immer die Infibulation praktiziert wurde,<br />
eine der vollständigsten und brutalsten<br />
Formen der weiblichen Genitalverstümmelung.<br />
Nach langer öffentlicher Diskussion, in<br />
der auch in einer Straßentheateraufführung<br />
die durch Infibulation verursachten Probleme<br />
von Infektionen, gefährlichen Geburten und<br />
Qualen beim Geschlechtsverkehr thematisiert<br />
wurden, legte das ganze Dorf einen Eid ab, die<br />
Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung<br />
zu beenden – dieser wurde bekannt als der<br />
Eid von Malicounda. Zwei Dorfälteste traten<br />
sodann an, um auch in anderen Dörfern für<br />
die Einstellung dieser Praxis zu werben. Bis<br />
Februar 1998 hatten dreizehn Dörfer den Eid<br />
abgelegt, fünfzehn weitere Dörfer beendeten<br />
die Praxis der Infibulation im Juni desselben<br />
Jahres, und die Bewegung gewann internationale<br />
Aufmerksamkeit. Am 13. Januar 1999<br />
beschloss die Nationalversammlung des Senegal<br />
das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung.<br />
Die Verabschiedung dieses Gesetzes<br />
allein hätte nicht ausgereicht, um diese Praxis<br />
abzuschaffen. Die Macht dazu lag in der sozialen<br />
Kontrolle in den Dörfern und der Demonstration<br />
des öffentlichen Willens durch<br />
das Ablegen des Eids von Malicounda. Das<br />
ToSTAN-Training betonte die Verbindungen<br />
zwischen dem Recht auf Gesundheit und anderen<br />
Menschenrechten.<br />
Gedächtnisbücher<br />
In vielen Ländern sind Gedächtnisbücher ein<br />
wichtiger Weg geworden, innerhalb von Familien<br />
die Kommunikation über HIV zu ermöglichen<br />
und insbesondere HIV-positiven<br />
Müttern dabei zu helfen, sich ihren Kindern<br />
über ihre Infektion mitzuteilen. Todkranke Eltern<br />
und ihre Kinder stellen gemeinsam ein<br />
Gedächtnisbuch zusammen, oft ein Album<br />
mit Fotos, Anekdoten und anderen Familienmemorabilien.<br />
In Uganda begann die AIDS-Unterstützungsorganisation<br />
TASo in den frühen Neunzigerjahren<br />
des 20. Jahrhunderts mit der Verwendung<br />
von Gedächtnisbüchern. Seit 1998 hat die Nationale<br />
Vereinigung von Frauen, die mit AIDS<br />
leben, mit Hilfe von PLAN Uganda diesen Zugang<br />
auf breiter Basis gefördert. Die Vereinigung<br />
hatte herausgefunden, dass HIV-infizierte<br />
Mütter große Schwierigkeiten hatten, sich ihren<br />
Kindern über ihre Krankheit mitzuteilen,<br />
und die Gedächtnisbücher erwiesen sich als<br />
ein guter Weg, um die Kinder mit HIV bekannt