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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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tureller Prismen. So sind zum Beispiel körperliche<br />

Strafen wie das Zufügen von Schmerzen<br />

durch Stock oder Peitsche eine weit verbreitete<br />

Form von Misshandlung im Sinne einer<br />

korrektiven Maßnahme. Innerhalb der islamischen<br />

Scharia-Rechtstradition sind körperliche<br />

Strafen und sogar Amputationen<br />

nicht nur akzeptierte Praxis, sondern durch<br />

eine Anzahl von religiösen Gerichten, die<br />

Ehe- und Erbschaftsangelegenheiten sowie<br />

andere Bereiche des physischen und spirituellen<br />

Lebens von Moslems regeln, gesetzlich<br />

erlaubt. So werden zum Beispiel im Strafgesetzbuch<br />

der Provinz Zamfara in Nigeria<br />

(vom Jänner 2000), das auf den Grundsätzen<br />

der Scharia beruht, Stockschläge, Amputation<br />

und Todesstrafe als vom Gesetz zugelassene<br />

Bestrafungen beschrieben. Auch die Gerichtsentscheidungen<br />

der religiösen Gerichtshöfe in<br />

Saudiarabien, im Iran, in Libyen und in Afghanistan<br />

beruhen auf der Scharia.<br />

Die israelischen Sicherheitskräfte wurden<br />

zum Beispiel bereits wiederholt für ihren<br />

Gebrauch von mäßiger körperlicher Gewalt<br />

bei Befragungen kritisiert. Die Annahme der<br />

Vorschläge der Landau-Untersuchungskommission<br />

aus dem Jahre 1987, denen zu Folge<br />

der Gebrauch einer mäßigen Anwendung von<br />

körperlicher Gewalt während einer Befragung<br />

auf Basis der gegebenen Notwendigkeiten<br />

als gerechtfertigt angesehen wird, hat hitzige<br />

Debatten hervorgerufen. Bedenklich war vor<br />

allem, dass der Empfehlung keinerlei Klarstellungen<br />

hinsichtlich des Limits von mäßiger<br />

körperlicher Gewalt und des Beginns von Folter<br />

folgten. Einzig im Fall Public Committee<br />

against Torture in Israel vs. the State of Israel<br />

entschied der oberste Gerichtshof Israels,<br />

dass die Verwendung von mäßiger körperlicher<br />

Gewalt illegal sei, da sie den verfassungsgesetzlich<br />

gewährleisteten Schutz des Rechtes<br />

auf Würde des Einzelnen verletze. Tatsächlich<br />

betont das UNo-Antifolterkomitee in seinem<br />

Schlusswort und in den Empfehlungen zu Is-<br />

VERBoT DER FoLTER<br />

rael vom 23. November 2001, „… dass das<br />

Komitee keinesfalls überzeugt ist und seine<br />

Besorgnis darüber ausdrücken möchte, dass<br />

Folter, wie im Übereinkommen definiert, noch<br />

nicht als Verbotstatbestand in die nationale<br />

Rechtsordnung übernommen wurde“.<br />

Die beiden Beispiele zeigen, dass, obwohl die<br />

Standards für das Verbot von Folter international<br />

anerkannt sind, die tatsächliche Interpretation<br />

und die Implementierung von Land zu<br />

Land variieren können. Es ist jedenfalls eine<br />

offene Frage, inwieweit diese Auffassungsunterschiede<br />

das absolute und universelle Verbot<br />

von Folter in einem kulturell sensitiven<br />

Kontext bekräftigen, oder inwieweit sie den<br />

Zielen und dem Geist des völkerrechtlichen<br />

Gewohnheitsrechts wie auch des Völkervertragsrechts<br />

widersprechen.<br />

Eine Anzahl von strittigen Fragen und Antworten<br />

kann in diesem Zusammenhang<br />

ebenfalls erhoben werden. Im Moment wird,<br />

vor allem in den USA, eine hitzige Debatte<br />

darüber geführt, ob Terrorismus sich von<br />

anderen Formen der Menschenrechtsverletzungen<br />

und Verbrechen unterscheidet und<br />

ob demzufolge zusätzliche Standards geschaffen<br />

werden müssen, um Terrorismus<br />

zu verhindern und zu bekämpfen. Einige wenige<br />

Länder wie Irland, die Türkei und die<br />

USA haben Anti-Terror-Gesetze eingeführt,<br />

die ein, verglichen mit der üblichen nationalen<br />

Strafverfolgung, beschleunigtes Verfahren<br />

ermöglichen, mit der Konsequenz, dass<br />

Menschenrechte und Grundfreiheiten beschnitten<br />

werden. Nach den Ereignissen des<br />

11. September 2001 konnte man ein Wiederaufleben<br />

der uralten Debatte beobachten, ob<br />

es akzeptabel sei, TerroristInnen zu foltern,<br />

um das Leben anderer zu schützen. In engem<br />

Zusammenhang damit steht die Frage,<br />

ob opfer von Folter einen höheren Anspruch<br />

auf Schutz ihrer Menschenrechte haben als<br />

Kriminelle, und ob das Leben eines Verbrechers<br />

oder einer Terroristin gleich viel wert<br />

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