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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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198 RECHTSSTAATLICHKEIT UND FAIRES VERFAHREN<br />

GESCHICHTE ZUR ILLUSTRATIoN<br />

Früh am Morgen des 16. Dezember 1988 wurde<br />

Herr A in seinem Haus gemäß Absatz 12<br />

des British Prevention of Terrorism Act von<br />

1984 in Zusammenhang mit einem versuchten<br />

Bombenattentat auf Militärpersonal verhaftet.<br />

Herr A wurde in die Castlereagh-Polizeiwache<br />

gebracht. Er gab an, dass er sofort bei der Ankunft<br />

nach seinem Anwalt verlangt habe. Herr<br />

A wurde gemäß der Criminal Evidence Order<br />

von 1988 festgehalten. Da Herr A dieses neue<br />

Gesetz nicht kannte, verlangte er erneut einen<br />

Anwalt zu sprechen. Dieses Ansuchen wurde<br />

ihm verweigert. Am selben Tag wurde Herr A<br />

fünf Mal von zwei verschiedenen Teams, bestehend<br />

aus zwei Kriminalbeamten, befragt. Die<br />

letzte Befragung fand um Mitternacht statt.<br />

Am 17. Dezember 1988 beschwerte sich Herr A bei<br />

einem Arzt über Misshandlungen während zweier<br />

Befragungen am Vortag. Der Arzt vermerkte<br />

in seiner Akte, dass Herr A vorbrachte, während<br />

der zweiten und dritten Befragung wiederholt geschlagen<br />

und gelegentlich in die Hinterseite des<br />

Kopfes geboxt worden zu sein, außerdem erhielt<br />

er einige Schläge in den Magen.<br />

Anschließend fanden an diesem Tag eine<br />

sechste, siebente und achte Befragung statt.<br />

Herr A brach sein Schweigen und gab detaillierte<br />

Antworten zu einigen Fragen, in denen<br />

er seine Beteiligung an der Herstellung und<br />

Hinterlegung der Bombe gestand. Während<br />

der siebenten Befragung unterzeichnete Herr A<br />

eine übermäßig lange Aussage, die in erheblicher<br />

Detailgetreue die Mittäterschaft des Herrn<br />

A bei der Hinterlegung und Zündung der Bombe<br />

beschrieb.<br />

Am 18. Dezember 1988 wurde Herrn A eine<br />

Beratung mit seinem Anwalt gestattet, der<br />

Herrn A’s Angaben über Misshandlungen notierte.<br />

Der Anwalt beschloss, diese Beschwerden<br />

nicht der Polizei weiterzugeben.<br />

Am 19. Dezember 1988 wurde Herr A gemeinsam<br />

mit anderen vor dem Belfaster Bezirksgericht<br />

der Mittäterschaft bei der Verursachung<br />

von Explosionen, des Besitzes von explosivem<br />

Material mit Verwendungsvorsatz und der Verschwörung<br />

zum Mord sowie der Mitgliedschaft<br />

bei der Irischen Republikanischen Armee angeklagt.<br />

Am 17. September 1990 begann das Verfahren<br />

von Herrn A und seinen Mitbeschuldigten<br />

am Belfast Crown Court vor einem Einzelrichter<br />

ohne Geschworene. Herr A plädierte nicht<br />

schuldig. Die Anklage basierte auf den Geständnissen,<br />

die Herr A in den Befragungen<br />

gemacht hatte, insbesondere auf der schriftlichen<br />

Aussage, die er selbst unterschrieben<br />

hatte. Herr A machte anschließend in der Gerichtsverhandlung<br />

keine Aussage. Dennoch<br />

verurteilte der Verhandlungsrichter Herrn A zu<br />

zwanzig Jahren Gefängnis.<br />

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />

entschied diesen Fall am 6. Jänner 2000. Er<br />

fand, dass das Recht auf ein faires Verfahren<br />

nach Art. 6 der EMRK verletzt worden war.<br />

Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte.<br />

2000. Fall Magee v. das Vereinigte<br />

Königreich. Urteil vom 6. Juni 2000.

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