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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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382 DEMoKRATIE<br />

zen und schafft allein auch kein politisches<br />

Bewusstsein – aber die neuen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien weisen<br />

trotz allem bedeutende Vorteile auf. Informationen<br />

können weltweit in Echtzeit gesucht<br />

und gefunden und, was noch viel wichtiger<br />

ist, ausgetauscht und für die Schaffung informeller<br />

organisatorischer Strukturen genutzt<br />

werden, was in den letzten Jahren häufig passierte.<br />

Als Beispiel mögen die US-Präsidentschaftswahlen<br />

2000 dienen. In bestimmten,<br />

besonders umkämpften Bundesstaaten (den<br />

sogenannten swing states) hing der Sieg von<br />

George W. Bush oder Al Gore davon ab, wie<br />

viele Stimmen der Kandidat der Grünen, Ralph<br />

Nader, erhielt. Nader selbst hatte keine Chance,<br />

zum Präsidenten gewählt zu werden. Seine<br />

WählerInnen tendieren traditionell eher dem<br />

demokratischen Lager zu als zu den Republikanern.<br />

Dies bedeutete, dass Nader-Wähler<br />

in swing states gegen ihren Willen zum Sieg<br />

Bushs beitrugen. Um diesen unerwünschten<br />

Nebeneffekt in folgenden Wahlen zu vermeiden,<br />

erfand ein Internetuser die Möglichkeit,<br />

auf einer Internetseite, die dem Musikdatenaustauschprogramm<br />

Napster gleicht, Stimmen<br />

zu tauschen. Ein Nader-Wähler in einem<br />

swing state konnte mit einem Gore-Wähler in<br />

einem Bush-Staat die Stimme tauschen. Der<br />

Nader-Wähler würde dann in jenem Staat für<br />

Gore stimmen, in dem dieser eine Chance auf<br />

den Sieg hatte, während der Gore-Wähler in<br />

dem Bush-Staat für Nader stimmen würde, der<br />

– wie auch Gore in diesem Staat – ohnedies<br />

chancenlos war. Auch wenn dieses System<br />

kompliziert wirken mag und auch nicht in allen<br />

US-Bundesstaaten als legal angesehen wird,<br />

stellt das Phänomen des Stimmentausches ein<br />

gutes Beispiel des demokratischen Potenzials<br />

neuer Formen informeller zivilgesellschaftlicher<br />

Kooperation mit Hilfe moderner Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien dar.<br />

Dies ist bei weitem nicht das einzige Beispiel.<br />

Dank online-Kommunikation haben über-<br />

all auf der Welt die Kooperationen und Aktivitäten<br />

von NGos erheblich zugenommen.<br />

Kampagnen können mehr Menschen denn<br />

je erreichen, und es gibt neue Formen weltweiter<br />

themenorientierter Kooperation. In der<br />

Regel haben totalitäre Regime nur beschränkte<br />

Möglichkeiten, den online-Austausch „revolutionärer“<br />

Ideen zu verbieten. Die/der Einzelne<br />

kann leichter ihre/seine Meinung äußern<br />

und verbreiten und folglich Unterstützung bei<br />

Gleichgesinnten finden.<br />

Die Informationsgesellschaft eröffnet der Demokratie<br />

neue Möglichkeiten, bringt aber<br />

zugleich neue Bedrohungsszenarien mit sich.<br />

Der Mangel an politischem Bewusstsein und<br />

demokratischen Strukturen in der offline- Welt<br />

spiegelt sich auch online wider. Zurzeit haben<br />

etwa 1,5 Milliarden Menschen weltweit Zugang<br />

zum Internet; 6,5 Milliarden Menschen haben<br />

dies nicht. Der sogenannte „digitale Graben“<br />

(digital divide) zwischen den industrialisierten<br />

und den Entwicklungsländern hat auf jedes<br />

demokratische Modell großen Einfluss: Wenn<br />

ein großer Bevölkerungsteil keinen Zugang<br />

zum Computer hat oder computerunkundig<br />

ist, kann dieser nur schwer an demokratiebezogenen<br />

online-Aktivitäten teilnehmen.<br />

Demokratische Herausforderungen stellen<br />

nicht nur die Ermöglichung von Internetzugängen,<br />

sondern auch die Inhalte dar. Beispielsweise<br />

behauptet der rassistische Ku-Klux-Klan<br />

in den USA, dass seine Mitgliederzahl seit<br />

Beginn seiner online-Präsenz erheblich zugenommen<br />

hat und dass der organisationsgrad<br />

zunimmt. In Frankreich wurde das Internet<br />

Portal „Yahoo!“ für das Anbieten von Neonazi-Materialien<br />

auf seinen Auktionswebseiten<br />

gerichtlich verurteilt – und das obwohl die<br />

Materialien in den USA angeboten wurden, wo<br />

diese Vorgansweise nicht illegal ist. Mittlerweile<br />

hat „Yahoo!“ sich auf freiwilliger Basis bereit<br />

erklärt, solche Aktivitäten zu beobachten<br />

und zu verbieten.

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