MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz
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230 RELIGIoNSFREIHEIT<br />
islamischen Glaubens verhängt werden kann.<br />
In der Praxis bedeutet das, dass die Freiheit<br />
der Wahl und des Wechsels des Glaubens<br />
nicht existiert.<br />
Dies steht in deutlichem Widerspruch zur internationalen<br />
Menschenrechtsgesetzgebung.<br />
Jeder Mensch hat das Recht, seinen Glauben<br />
frei und ohne Zwang zu wählen. Die Debatte<br />
um dieses Thema wird höchst emotional geführt,<br />
da sie in tiefe Überzeugungen eingreift<br />
und auf unterschiedliches Verständnis der religiösen<br />
Freiheiten trifft. Der Umgang mit Apostasie<br />
illustriert die kulturellen Differenzen im<br />
Verständnis von religiösen und anderen Freiheiten<br />
und scheint den „Westen“ vom „Rest<br />
der Welt“ zu unterscheiden.<br />
Diskussionsfrage<br />
• Glauben Sie, dass in der Praxis Menschen<br />
ihren Glauben frei wählen und wechseln<br />
können? Könnte dies eventuell zu einer<br />
Kollision mit anderen Menschenrechten<br />
führen? Wenn ja, mit welchen?<br />
Proselytismus – Das Recht<br />
auf Verbreitung des Glaubens<br />
Jeder Mensch hat das Recht auf Verbreitung<br />
seines Glaubens und dazu, andere zum Übertritt<br />
zu einem anderen Glauben oder zu einer<br />
anderen Religion zu ermutigen, solange nicht<br />
Zwang oder Gewalt angewandt werden. Diese<br />
Handlung bezeichnet man als „proselytieren“<br />
oder „missionieren“.<br />
In Mittel- und osteuropa und Afrika sind<br />
Konflikte zwischen einheimischen Kirchen<br />
und ortsfremden Religionen, die Missionarsprogramme<br />
fördern, entstanden. In manchen<br />
Fällen wurden diese Programme von<br />
Regierungen verboten. Die Menschenrechte<br />
verlangen, dass Regierungen das Recht auf<br />
Meinungsfreiheit schützen und dass den Gläubigen<br />
daher Schutz gewährt wird, gewaltlose<br />
Formen des Proselytismus zu betreiben, wie<br />
etwa „bloße Appelle an das Gewissen“ oder<br />
die Darstellung auf Plakaten und Reklamewänden.<br />
Die Anwendung von Gewalt, um einen Glaubensübertritt<br />
zu erzwingen, ist eine klare Verletzung<br />
der Menschenrechte; jedoch ist die<br />
Frage, was alles unter Zwang fällt, im internationalen<br />
Recht noch immer ungeklärt. Ein<br />
„zwingender Umstand“ muss auftreten, damit<br />
Proselytismus eingeschränkt werden kann:<br />
etwa der Gebrauch von Geld, Geschenken oder<br />
Vergünstigungen, um jemanden zum Konvertieren<br />
zu bringen – oder das Proselytieren an<br />
Plätzen, an denen die Anwesenheit rechtlich<br />
durchsetzbar ist (Klassenzimmer, militärische<br />
Einrichtungen, Gefängnisse und ähnliches).<br />
Aufwiegelung zu religiösem Hass<br />
und Meinungsfreiheit<br />
Anfang 2006 beharrten Menschenrechtsgruppen<br />
in Großbritannien darauf, dass das neue<br />
„Gesetz betreffend ‚rassischen’ oder religiösen<br />
Hass“, welches das neue Delikt der „Aufwiegelung<br />
zu religiösem Hass“ schuf, nicht das<br />
Recht verhindern darf, religiösen Glauben und<br />
Praxis als Teil der Meinungsfreiheit zu kritisieren<br />
und lächerlich zu machen. Das Gesetz<br />
wurde dementsprechend abgeändert.<br />
Meinungsfreiheit und Pressefreiheit<br />
Wehrdienstverweigerung<br />
aus Gewissensgründen<br />
Die interkulturelle Kontroverse über die so genannte<br />
Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen<br />
dauert an. Vom verpflichtenden<br />
Militärdienst kann abgesehen werden, wenn<br />
jemand die Verpflichtung zum Töten nicht in<br />
Einklang mit seinem Glauben bringen kann<br />
und keine nachteiligen Unterscheidungen für<br />
Personen anderen Glaubens daraus entstehen<br />
können. Ein gewisser Trend hin zur Anerkennung<br />
eines solchen Rechts durch nationale<br />
Gesetzgebungen kann in manchen Ländern<br />
beobachtet werden, in denen alternativer<br />
Zivildienst angeboten wird (wie etwa in Ös-