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MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

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376 DEMoKRATIE<br />

Rahmen wurde von Allah geschaffen und ist<br />

demzufolge nicht modifizierbar. Jemand, der<br />

seine Gesetze implementiert, muss auch sein<br />

Stellvertreter sein. Dieser radikale Ansatz befindet<br />

sich im Widerspruch zu grundlegenden<br />

demokratischen Werten wie offenheit, Pluralismus<br />

und Gewaltenteilung.<br />

Trotz dieser scheinbaren Unvereinbarkeit von<br />

Islam und Demokratie gehen einige Demokratien<br />

in der islamischen Welt mit gutem<br />

Beispiel voran. Indonesien, der bevölkerungsreichste<br />

Staat mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung,<br />

ist eine junge und lebendige<br />

Demokratie, die sich auf den Prinzipien des<br />

Pluralismus und der Einbeziehung gründet.<br />

Indien, das den zweithöchsten muslimischen<br />

Bevölkerungsanteil aufweist, wird seit 1948<br />

demokratisch regiert. Der viertgrößte muslimische<br />

Staat, Bangladesch, ist eine Demokratie.<br />

Drei der vier größten islamischen Staaten sind<br />

Demokratien, und der Drittgrößte, Pakistan,<br />

hat sich zu einer Rückkehr auf dem demokratischen<br />

Weg bekannt. Ende 2005 konstituierte<br />

sich ein demokratisch gewähltes Parlament<br />

in Afghanistan, einem Land, das lange Zeit<br />

unter der Kontrolle der extrem konservativen<br />

Taliban gestanden hatte, die ihre Machtausübung<br />

auf die Souveränität Gottes gründeten.<br />

Mali, ein islamischer Staat in Westafrika, stellt<br />

ein weiteres Beispiel für jene Staaten mit einer<br />

muslimischen Mehrheitsbevölkerung dar, die<br />

sich zu verschiedenen Ausprägungen demokratischer<br />

Regierungsführung bekennen. Die<br />

Mehrzahl der islamischen Glaubensangehörigen<br />

lebt in Demokratien oder Staaten, die sich<br />

in demokratischen Transformationsprozessen<br />

befinden. In Süd- und Südostasien leben mehr<br />

als 500 Millionen MuslimInnen in demokratisch<br />

regierten Staaten: in Indien, Bangladesch,<br />

Afghanistan, Indonesien, Malaysien und den<br />

Malediven. Im Nahen und Mittleren osten hingegen,<br />

wo gesamthaft gesehen weniger MuslimInnen<br />

beheimatet sind als im Rest von Asien,<br />

fehlt eine ähnliche demokratische Kultur.<br />

Die islamische Sichtweise der Demokratie<br />

manifestiert sich in der Shura, einer beratenden<br />

Versammlung, die sich mit alltäglichen<br />

Angelegenheiten auseinandersetzt und den<br />

Menschen volle Meinungsfreiheit gewährt.<br />

Die Shura wird jedoch durch Allahs Gesetze<br />

beschränkt, und somit steht nach westlichem<br />

Verständnis diese islamische Art der Partizipation<br />

im Widerspruch zur Demokratie.<br />

Religionsfreiheit<br />

Diskussionsfragen<br />

1. Warum sind einige Elemente der Demokratie<br />

wichtiger als andere?<br />

2. Ist es zulässig, dass es in den verschiedenen<br />

Kulturen unterschiedliche Vorstellungen<br />

von Demokratie gibt?<br />

3. Wenn unterschiedliche Interpretationen<br />

von Demokratie unvermeidlich und zulässig<br />

sind, wo sind die Grenzen dieser Unterschiede?<br />

Welche Kernelemente müssen<br />

beispielsweise unter allen Umständen erhalten<br />

werden, um einen Staat noch als<br />

„demokratisch“ bezeichnen zu können?<br />

4. Welche Rolle spielen die Medien bezüglich<br />

der Auffassung von Demokratie in den verschiedenen<br />

Kulturen?<br />

Weitere Denkanstöße:<br />

• Die Beziehung zwischen Mehrheit und<br />

Minderheit, und im Besonderen der Schutz<br />

der politischen Minderheit, ist von entscheidender<br />

Bedeutung. Neben der Mehrheit,<br />

für die sich das Recht auf Herrschaft<br />

ergibt, gibt es im Mehrheitswahlrecht auch<br />

eine Minderheit. Diese ist oft vom Entscheidungsprozess<br />

ausgeschlossen und muss<br />

sich nach den Beschlüssen der Mehrheit<br />

richten. Minderheiten bedürfen deshalb eines<br />

besonderen Schutzes, durch den ihre<br />

Rechte garantiert und ihr politischer Wille<br />

bestmöglich berücksichtigt werden.

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