MENSCHENRECHTE VERSTEHEN - ETC Graz

292 MENSCHENRECHTE IN BEWAFFNETEN KoNFLIKTEN
GESCHICHTE ZUR ILLUSTRATIoN
Ich war 19, als ich nach Vietnam ging. Ich war
Schütze. Ich bin zum Töten ausgebildet worden,
aber jemanden wirklich zu töten, ist völlig
anders als die Betätigung des Abzugs beim
Training.
Ich wusste nicht, dass ich genau das machen
würde. Ich wusste, dass Frauen und Kinder
da waren, aber dass ich sie umbringen würde,
das war mir nicht klar, bis ich es tat. Ich wusste
nicht, dass ich jemanden umbringen würde.
Ich wollte niemanden umbringen. Ich wurde
nicht zum Töten erzogen.
Sie rannte, eine Baumreihe im Rücken, und sie
trug etwas. Ich wusste nicht, ob es eine Waffe
war oder nicht. Ich wusste nur, dass es eine
Frau war, und ich wollte keine Frau erschießen,
aber ich bekam den Befehl zu schießen. So
dachte ich, dass sie eine Waffe hatte und damit
rannte, und ich schoss. Als ich sie umdrehte,
sah ich, dass es ein Baby war. Ich habe sie
viermal getroffen und die Kugeln waren durch
ihren Körper durchgegangen; so hatte ich das
Baby auch erschossen. Und ich drehte sie um
und sah, dass das halbe Gesicht des Babys
nicht mehr da war. Ich blendete das Gesehene
aus. Mein Training kam mir in den Sinn, das
Programm zu töten, und ich begann zu töten.
Quelle: adaptiert aus David Donovan. 2001.
Once a Warrior King: Memories of an Officer
in Viet Nam. Zitiert in: IKRK. 2008. Exploring
humanitarian law: education modules for
young people. Genf: IKRK.
Diskussionsfragen
1. Warum schoss der Soldat, obwohl er wusste,
dass Frauen und Kinder keine legitimen
Ziele sind?
2. Warum zählen Frauen und Kinder zum
geschützten Personenkreis in bewaffneten
Konflikten?
3. Welche Bedeutung hat Gehorsam in Kriegen?
Sollten SoldatInnen Befehlen immer
gehorchen?
4. Wer bestimmt, welches Verhalten in bewaffneten
Konflikten rechtmäßig ist und
welches nicht?
5. Wie wichtig ist es, dass SoldatInnen lernen,
was nicht rechtmäßig ist? Was ist der
Zweck solcher Regeln?
„In Anbetracht ... dass der einzige rechtmäßige
Zweck, den die Staaten während
des Krieges sich vorzusetzen haben, die
Schwächung der Militärkräfte des Feindes
ist;
dass es zu diesem Zweck genügt, möglichst
viel Mannschaften kampfunfähig
zu machen;
dass dieser Zweck durch den Gebrauch
von Waffen überschritten würde, welche
unnötigerweise die Leiden der außer
Kampf Gesetzten erhöhen oder ihren Tod
unvermeidlich machen würden.“ (Übersetzung)
Präambel zur Erklärung von St. Petersburg
betreffend die Nichtanwendung
der Sprenggeschosse im Kriege. 1868.