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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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aus der Arbeitsgesellschaft", als Chance neuer Lebensentwürfe, sich nun<br />

von industriellen Zwängen „frei" zu machen <strong>und</strong> auf eine Zukunft post-industrieller<br />

Werte <strong>und</strong> Welten zu setzen. Heute, 1984, sehen wir uns hingegen<br />

anders herausgefordert: nicht nur durch die Erwartung einer sprunghaften<br />

Steigerung moderner Systemtechnik <strong>und</strong> Systemkontrolle, sondern<br />

auch durch unsere Betroffenheit, daß an den „Grenzen des Wachstums"<br />

evolutionäre Errungenschaften der Moderne zurückgenommen werden<br />

könnten.<br />

Beides ist zusammenzusehen: der kulturelle Wandel <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Werte <strong>und</strong> der strukturelle Rahmen <strong>gesellschaftliche</strong>r Lebenslagen <strong>und</strong> Lebenschancen.<br />

Dann wird als Problem bewußt, daß soziokulturelle Lernprozesse<br />

einer Umwertung der Moderne doch an die im Modernisierungsprozeß<br />

institutionalisierten Freiheiten <strong>und</strong> Sicherungen geb<strong>und</strong>en bleiben.<br />

Gerade hier an der Ruhr, dieser von den „Krisen der Arbeitsgesellschaft"<br />

besonders schwer getroffenen alten Industrielandschaft, müssen wir erfahren,<br />

daß industrie<strong>gesellschaftliche</strong> Produktivität sich festgefahren hat, auf<br />

Grenzen trifft, gebrochen wird <strong>und</strong> bei rückläufiger Modernität Rück- <strong>und</strong><br />

Randständigkeit aufbricht. In solchen Problemzonen „sozialer Brache" werden<br />

die Folgekosten konjunktureller <strong>und</strong> struktureller Brüche unabweisbar<br />

akut: verweigerte Lebenschancen, zerrissene Lebenszusammenhänge, verstörter<br />

Lebenssinn.<br />

Schienen im Zeichen des Wachstums die Errungenschaften der Moderne<br />

noch verallgemeinerbar <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong>r Ausgleich noch durchsetzbar,<br />

so wird nun in knapperen Zeiten soziale Ungleichheit wieder härter spürbar:<br />

auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, in Konsum <strong>und</strong> Freizeit, aber<br />

auch im öffentlichen Bereich sozialer Infrastruktur <strong>und</strong> Dienstleistung. Polarisierung<br />

<strong>und</strong> Marginalisierung reißt auf — <strong>und</strong> der Riß einer sich spaltenden<br />

Gesellschaft trifft gerade auch das Verhältnis der Generationen <strong>und</strong><br />

trennt die Generation 'mit Vergangenheit' (in den 1950 <strong>und</strong> 1960er Jahren)<br />

von einer Generation 'ohne Zukunft' — zumindest soweit Erwartungen<br />

nach Geld <strong>und</strong> Macht verrechnet werden.<br />

Unser Proble<strong>mb</strong>ewußtsein darf sich allerdings nicht nur darauf richten,<br />

daß Chancen knapper werden; gleichermaßen sehen wir uns davon betroffen,<br />

daß auch Horizonte enger werden, gerade für die „Entwicklung von Lebenszusammenhängen":<br />

Dies gilt für eine „Humanisierung der Arbeitswelt",<br />

für eine bewußtere Lebensgestaltung von Familienleben <strong>und</strong> Familiensinn,<br />

— auch im Verhältnis der Geschlechter; es gilt für die kulturelle Entwicklung<br />

<strong>und</strong> sozialräumliche Belebung unserer Städte; insbesondere betrifft<br />

es heute auch lebenspraktische Umwertungen im Verhältnis von <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Arbeit <strong>und</strong> freier Zeit.<br />

Die Beiträge aus den beteiligten Sektionen können die Gefahr struktureller<br />

Verknappung <strong>und</strong> kultureller Verengung nachdrücklich belegen. Dabei<br />

werden verhängnisvolle Transformationen der Moderne gerade dort auffällig,<br />

wo die verinnerlichten Leitbilder moderner Lebensführung nicht<br />

mehr auf die Sicherungen <strong>und</strong> Leistungen <strong>gesellschaftliche</strong>r Modernität<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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