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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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3. Empirische Probleme der Analyse<br />

Lassen Sie mich jetzt zu den empirischen Schwierigkeiten der Analyse kommen.<br />

Ich glaube, ich kann mich dazu kurz fassen, weil die Probleme eigentlich<br />

schon im Vorhergehenden implizit deutlich geworden sind. Ich möchte<br />

drei allgemeine Bemerkungen machen. Die erste bezieht sich darauf, daß die<br />

Analyse von Konfliktabläufen, die noch in die Gegenwart hineinreichen,<br />

empirisch deshalb an Grenzen stößt, weil die Informationen, Daten <strong>und</strong><br />

Dokumente über sie in den Sog <strong>und</strong> den Verlauf des Konflikts auf vielfältige<br />

Weise hineingeraten. Zweifellos trifft das für sämtliche im Forschungsverb<strong>und</strong><br />

„Ursachen des Terrorismus" angefertigte Studien zu. Die Konfliktbeteiligten<br />

handeln <strong>und</strong> informieren unter strategischen <strong>und</strong> taktischen Gesichtspunkten,<br />

<strong>und</strong> das heißt vor allem mit Blick auf die Konfliktgegner,<br />

aber auch mit Blick auf unbeteiligte Dritte, auf Öffentlichkeit, Kontrollinstitutionen<br />

etc., die ja für den weiteren Verlauf eines Konflikts eine kritische<br />

Größe darstellen, wie wir gesehen haben. Die Konfliktereignisse aus<br />

der Studentenbewegung, erst recht diejenigen aus der Zeit des Terrorismus,<br />

ragen auf vielfache Weise bis in unsere Zeit hinein, in Form rechtlicher <strong>und</strong><br />

politischer Verarbeitungen der Rechtfertigung, Warnung, der Konfliktfortsetzung<br />

usw.. Dies gilt sicherlich für beide Konfliktseiten, <strong>und</strong> amtliche<br />

Dokumente, erst recht daran in irgendeiner Form beteiligte Amtsträger,<br />

die nicht befragt zu haben, meiner Studie den im Vorwort des Herausgebers<br />

abgedruckten Vorwurf des Verzichts auf Primärerhebungen eintrug, sind<br />

davon aus den oben genannten Gründen der Selbstrechtfertigung natürlich<br />

in besonderer Weise geprägt. Erst in dem Maße, in dem solche Ereignisse<br />

in den Horizont der Geschichte eintreten, stellt sich auch jene Absonderung<br />

des Interesses an der Darstellung eines Geschehens vom Geschehen selbst<br />

ein, die als eine Bedingung wissenschaftlicher Rekonstruktion zu betrachten<br />

ist. Man steht damit als Sozialwissenschaftler vor dem Dilemma, daß die<br />

zeitliche Nähe der Analyse zu ihrem Gegenstand zwar einerseits der erinnernden<br />

Verzerrung engegensteht, aber andererseits <strong>und</strong> aus differenten<br />

Gründen, die selektive Information begünstigt. Eine zweite Bemerkung<br />

möchte ich in Anknüpfung an das von H.S. Becker (1967) theoretisch <strong>und</strong><br />

methodologisch gemeinte Konzept der „Hierarchie der Glaubwürdigkeit"<br />

machen, über sämtliche Konfliktereignisse gab es naturgemäß verschiedene<br />

<strong>und</strong> oft widersprüchliche Informationen aus separaten Datenquellen. Ihre<br />

analytische Verwertung erzwang deshalb Entscheidungen über die empirische<br />

Triftigkeit der Informationen, die in der Tat oft nicht auskamen ohne<br />

Glaubwürdigkeitsurteile oder -Vermutungen. Ein Problem ist dabei sicherlich<br />

die Kontrolle der eigenen Subjektivität. Ich möchte diese für mich sehr<br />

persönlich beantworten. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Verlautbarungen,<br />

Dokumente <strong>und</strong> Darstellungen staatlicher Handlungen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

unter einem erklärbar strengeren Druck der Organisierung, der<br />

Folgen- <strong>und</strong> Konsequenzenantizipation standen als solche der Konfliktgegenseite.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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