07.03.2014 Aufrufe

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Teil I: Rahmenbedingungen zukünftiger Gewerkschaftspolitik<br />

Eine steigende Anzahl von Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlern geht von<br />

einer zunehmenden Segmentierung der Volkswirtschaft aus. Sie unterscheiden<br />

z.B. einen sog. funktionierenden Kernbereich (z.B. Chemieindustrie,<br />

Automobilindustrie, Elektronikindustrie), krisenbestimmte Branchen (z.B.<br />

Bergbau, Stahl <strong>und</strong> Werften), sowie den Bereich der Arbeitslosigkeit (sog.<br />

Schattenwirtschaft). Für eine solche Entwicklungstendenz gibt es insbesondere<br />

in anderen westlichen Industrienationen ausreichende Indikatoren.<br />

Bisher war die ökonomische Gr<strong>und</strong>lage der nationalen Gewerkschaftspolitik<br />

die Ausweitung der Industrialisierung auf weitere Wirtschaftsbereiche<br />

<strong>und</strong> Gruppen der Arbeitsbevölkerung, das Wachstum der Produktionseinheiten<br />

<strong>und</strong> die Homogenisierung von Arbeitsverhältnissen <strong>und</strong> -bedingungen.<br />

Sie ermöglicht eine Politik, die eine Verallgemeinerung <strong>und</strong> Angleichung<br />

von Arbeits- <strong>und</strong> Einkommensbedingungen auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

möglichst umfassender Organisierung verfolgte.<br />

Aus der Auseinander<strong>entwicklung</strong> von ökonomischen Strukturen (Segmentierung<br />

<strong>und</strong> Flexibilisierung) <strong>und</strong> dem Politikziel der Verallgemeinerung<br />

<strong>und</strong> Angleichung ergeben sich gravierende Gefährdungen gewachsener<br />

Gewerkschaftspolitik:<br />

— eine quantitative Schwächung der Organisationsmacht durch Verringerung<br />

des traditionellen Mitgliederpotentials;<br />

— eine zunehmende Durchbrechung des Politikziels der Angleichung<br />

durch eine Segmentierung der Wirtschaftsbereiche, des Arbeitsmarktes<br />

<strong>und</strong> der Arbeitsverhältnisse.<br />

Die mangelnde Anpassung der Gewerkschaftspolitik an diese neue Konstellation<br />

hat bereits zu einer faktischen Aushöhlung des Verallgemeinerungs<strong>und</strong><br />

Angleichungspostulats geführt: durch eine „Entgewerkschaftlichung"<br />

bestimmter Sektoren <strong>und</strong> durch die Konzentration von Politik auf traditionelle<br />

Kerngruppen der Beschäftigten.<br />

Die b<strong>und</strong>esdeutschen Gewerkschaften stehen also vor dem Problem,<br />

ob sie bei veränderten ökonomischen (<strong>und</strong> politischen) Gr<strong>und</strong>lagen entweder<br />

das Ziel der Verallgemeinerung <strong>und</strong> Angleichung aufrechterhalten<br />

<strong>und</strong> entsprechende Politiken entwickeln <strong>und</strong> vorrangig-propagieren sollen;<br />

oder aber mit einer Segmentierung der Gewerkschaftspolitik reagieren in<br />

dem Sinne, daß sie in den verschiedenen Segmenten organisieren <strong>und</strong> dort<br />

unterschiedliche Politiken (<strong>und</strong> wenn: welche?) verfolgen;<br />

oder aber sich auf einen funktionierenden Kernbereich beschränken, in<br />

dem Mindeststandards an Arbeitsverhältnissen (Arbeitsvertragsdauer, Arbeitszeit,<br />

Mindesteinkommen) <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen (Tätigkeitsanforderungen,<br />

Arbeitsschutzmaßnahmen etc.) aufrechtzuerhalten oder sogar zu<br />

verbessern sind.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!