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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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immer die Wirklichkeit der Zustimmung <strong>und</strong> Billigung durch andere ... Mitglieder<br />

der Gesellschaft für sich" (a.a.O., S. 363). „Nichts einigt eine Gesellschaft<br />

mehr als ihre Mörder" — das auf diese zynische Kurzformel gebrachte,<br />

von Durkheim soziologisch begründete Integrations- <strong>und</strong> Nützlichkeitspostulat<br />

des Verbrechens für eine Gesellschaft, schien im Falle des Terrorismus<br />

nicht mehr automatisch verbürgt zu sein, sondern bedurfte der staatlichen,<br />

politischen <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong>n Einübung qua Dramatisierung,<br />

Mobilisierung <strong>und</strong> Aktivierung sämtlicher verfügbarer Ressourcen. Umgekehrt<br />

wurden daran die Bedingungen deutlich, unter denen die moralische<br />

Dimension der rechtlich vermittelten <strong>und</strong> konstituierten Kriminalität seine<br />

<strong>gesellschaftliche</strong> Funktion entfaltet bzw. unter denen der Verhaltensaspekt<br />

von Kriminalität sich von seinem moralischen Bewertungskontext abzulösen<br />

tendiert.<br />

b. Die soziologische Verknüpfung von Studentenbewegung <strong>und</strong><br />

Terrorismus<br />

Ich möchte diese Überlegungen nutzen, um nunmehr einen Brückenschlag<br />

zu der dem Terrorismus nicht zur zeitlich, sondern in vieler Hinsicht auch<br />

inhaltlich vorangegangenen politischen Bewegung der Studenten <strong>und</strong> der<br />

außerparlamentarischen Opposition zu tun. Ich spinne dafür den Faden<br />

weiter, den ich Mertons Unterscheidung des Abweichers <strong>und</strong> des Nonkonformisten<br />

entnommen habe. Es hat auch gegenüber der Studentenbewegung<br />

massive Versuche gegeben, ihren politischen Gehalt dadurch zu ignorieren,<br />

zu desavouieren <strong>und</strong> zu diskreditieren, daß man die Träger der Bewegung<br />

isolierte, dämonisierte <strong>und</strong> kriminalisierte.<br />

Diese Strategie der Auseinandersetzung mit der Studentenbewegung<br />

<strong>und</strong> der außerparlamentarischen Opposition läßt sich auch im Sinne Mertons<br />

als Versuch interpretieren, gegen die Träger des Protests jenes die<br />

Reaktion auf den Kriminellen verstärkende <strong>und</strong> Effektivität verbürgende<br />

Reservoir „desinteressierter moralischer Entrüstung" ins Feld zu führen.<br />

Wir wissen aber, daß gerade diese Versuche außerordentlich a<strong>mb</strong>ivalent,<br />

risikoreich <strong>und</strong> zum Teil kontraproduktiv waren. Und dies galt auch <strong>und</strong> in<br />

besonderer Weise für die Verfolgung von Straftaten gegen die Studenten<br />

<strong>und</strong> Träger des Protests. Solche Maßnahmen gegen Studenten <strong>und</strong> Demonstranten<br />

— <strong>und</strong> es gibt zahlreiche Beispiele dafür — hatten oft die Isolierung<br />

der Studenten aufbrechende Solidarisierungen <strong>und</strong> Mobilisierungen von Anhängern<br />

zur Folge. Das der Erinnerung wohl noch zugänglichste Beispiel<br />

einer solchen kontraproduktiven Wirkung strafrechtlicher Sozialkontrolle<br />

waren sicherlich die Vorgänge um den Schah-Besuch Anfang Juni 1967 in<br />

Berlin, als der Student B. Ohnesorg von einer Polizistenkugel tödlich getroffen<br />

wurde. Die öffentliche, weit ins Ausland reichende Empörung darüber<br />

war zwar einerseits <strong>und</strong> langfristig auf eine ironische Weise für die Studentenbewegung<br />

wegen des damit verb<strong>und</strong>enen zusätzlichen Handlungsdruckes<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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