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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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sind diese Pläne wieder aktuell, auch deshalb lohnt der Rückblick auf die<br />

damalige Diskussion.<br />

Die Soziologie jener Jahre befaßte sich allenfalls mit Teilaspekten dieser<br />

Entwicklung (<strong>und</strong> unter verkürzten theoretischen Fragestellungen, auf die<br />

hier nicht eingegangen werden kann). Ihre Themen waren die zunehmende<br />

Müttererwerbstätigkeit (Pfeil 1961) oder die Einstellungen junger Frauen<br />

zu Familie <strong>und</strong> Mutterschaft in der richtungsweisenden Arbeit von Wurzbacher<br />

u.a. (1958). Der Schwerpunkt familiensoziologischer Forschung lag<br />

in der Analyse der Stabilitätsbedingungen der Familie <strong>und</strong> von deren Funktionsveränderungen.<br />

Sozialpolitische Fragestellungen wurden eher ausgeklammert,<br />

dasselbe gilt für die ökonomische Verflechtung von Familie <strong>und</strong><br />

Gesellschaft. So war es nicht erstaunlich, daß der Aspekt der Verwertungsbedingungen<br />

weiblicher Familienarbeitskraft unter diesen Vorausset­<br />

10<br />

zungen überhaupt nicht in den Blick sozialwissenschaftlicher Forschung<br />

geriet.<br />

Theoretisch lassen sich die zunehmende Erwerbstätigkeit von Hausfrauen<br />

<strong>und</strong> Müttern, die rechtliche Umgestaltung der familialen weiblichen Arbeitspflicht<br />

<strong>und</strong> familienpolitische Bestrebungen als Merkmale einer neuen<br />

Form der Vergesellschaftung der Arbeitskraft <strong>und</strong> des Gebärvermögens von<br />

Frauen deuten, denn familienpolitische Interventionen galten nicht allein<br />

dem Ziel, das Arbeitsvermögen der Frau der Familie zu sichern, sondern<br />

gleichzeitig einer weiteren Zielsetzung — der Sicherung einer stabilen Geburtenrate.<br />

In diesem Sinne wird unter „Vergesellschaftung" hier die <strong>gesellschaftliche</strong><br />

Nutzung <strong>und</strong> Verfügung über diese Potenzen — Arbeits- <strong>und</strong><br />

Gebärvermögen — verstanden. Beide dienten nur noch selten der Reproduktion<br />

einer auf Eigentum beruhenden Familienökonomie. Vollständige Familie<br />

<strong>und</strong> gesicherte Beschäftigung des Ehemannes vorausgesetzt, verblieb<br />

die Arbeitskraft der Ehefrau <strong>und</strong> Mutter entweder dem Haushalt nach dem<br />

Modell der Hausfrauenehe oder sie spaltete sich auf zwischen Haushalt <strong>und</strong><br />

Beruf.<br />

Indem der Staat seit Einführung der Sozialversicherung als Garant der<br />

Existenzsicherung der Besitzlosen im Alter auftrat, lag der Gedanke nahe,<br />

die Sozialisationsleistungen von Müttern (<strong>und</strong> die finanziellen Aufwendungen<br />

der „Familienvorstände") als deren Beitrag zum Erhalt des <strong>gesellschaftliche</strong>n<br />

Ganzen zu deuten. Die mit diesem Sachverhalt befaßte familienpolitische<br />

Literatur bedachte allerdings kaum, daß die Systematik des Rentenversicherungsrechts<br />

auf ein Umlageverfahren unter Lohnabhängigen abstellte,<br />

das über monetäre Leistungen die Reproduktion von Individuen <strong>und</strong> deren<br />

Arbeitskraft auf spezifische Weise sicherte. Eine materielle Anerkennung<br />

der Leistungen von Müttern war bei dieser Systemkonstruktion nicht<br />

möglich.<br />

Bei der Berücksichtigung der Tatsache, daß Sozialleistungen über Steueraufkommen<br />

<strong>und</strong> Sozialabgaben finanziert werden, zeigt sich, daß auf Arbeitnehmerseite<br />

über direkte <strong>und</strong> indirekte Steuern <strong>und</strong> Sozialabgaben die<br />

Kosten der sozialen Sicherung innerhalb der Arbeitnehmerschaft umverteilt<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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