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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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soph glaubt, er könne die ganze Welt in ein — sein — System einschließen ...<br />

Von dem Augenblick an, da bei der Systematisierung der Gedanken einer<br />

endlosen Fähigkeit zur Vervollkommnung mit dem Gedanken der dem System<br />

als solchen immanenten Vollkommenheit in Konflikt gerät, geht die<br />

philosophische Illusion ins Bewußtsein ein ... Wie die klassische Philosophie<br />

will der Urbanismus ein System sein. Er glaubt, eine neue Totalität umfassen,<br />

in sich einbeziehen, besitzen zu können." Gleichzeitig verweist Lefèbvre<br />

auf die damit verknüpfte Illusion des Staates <strong>und</strong> der Planung — <strong>und</strong> wer<br />

wäre ihr näher gewesen als der jahrzehntealte sozialistische Diskurs über eine<br />

rational geplante Stadt <strong>und</strong> Gesellschaft? ,,Die Illusion des Staates besteht<br />

aus einem kolossalen <strong>und</strong> lächerlichen Projekt", schreibt Lefèbvre.<br />

„Der Staat soll imstande sein, die Angelegenheiten von Dutzenden von Millionen<br />

von Subjekten zu leiten ... Der Staat als Vorsehung, als personifizierte<br />

Gottheit wird zum Mittelpunkt aller Dinge <strong>und</strong> des irdischen Gewissens."<br />

Dementsprechend, so argumentiert Lefebvre, entgleite auch dem Stadtplaner<br />

tendenziell jede urbane Praxis. Er glaubt sie durch den Plan ersetzen zu<br />

können. „Er untersucht sie nicht. Für den Urbaniker ist diese Praxis eben<br />

das Blindfeld." (Alle Zitate: Lefèbvre 1972, 162/63).<br />

In der Konkretisierung <strong>und</strong> Entfaltung derartiger radikaler <strong>und</strong> (selbstkritischer<br />

Überlegungen, wie sie Lefèbvre's Urbanismus-, Technokratie- <strong>und</strong><br />

damit auch Modernitätskritik bereits am Anfang der 7Oer-Jahre vorgetragen<br />

hat, besteht, so meine ich, die wichtige Aufgabe einer Stadt <strong>und</strong> Stadtplanungs<strong>soziologie</strong>,<br />

die die Krise der Modernität mit Blick auf das Urbane<br />

ernst- <strong>und</strong> aufzunehmen sucht (als Versuch vgl.: Evers 1985). Folgt sie dabei<br />

einem Gesellschafts- <strong>und</strong> Stadtbegriff, in dem die „soziale" <strong>und</strong> „urbane<br />

Praxis" das Schlüsselelement bilden <strong>und</strong> nicht mehr zuerst das Denken in<br />

Strukturen, Ordnungen <strong>und</strong> Institutionen, dann wäre das auf dem spezifischen<br />

Feld der Stadt<strong>soziologie</strong> eine (wie ich meine, positive) Antwort auf<br />

jene allgemeinere Frage, die Alain Touraine auf dem letzten Soziologentag<br />

in Ba<strong>mb</strong>erg 1982 so formulierte: Soziale Bewegungen — Spezialgebiet oder<br />

zentrales Problem soziologischer Analyse?<br />

LITERATUR<br />

Evers, Adalbert 1985: „Konflikt <strong>und</strong> Konsens in der Stadtplanung, oder: sich auseinandersetzen<br />

heißt auch sich nahekommen", in: Kreuder/Loewy (Hg.): Konservativismus<br />

in der Strukturkrise, Frankfurt a.M.<br />

Lefèbvre, Henri 1972: Die Revolution der Städte, Frankfurt a.M.<br />

Touraine, Alain 1983: „Soziale Bewegungen — Spezialgebiet oder zentrales Problem soziologischer<br />

Analyse?" (Text eines Vortrages auf dem 21. Deutschen Soziologentag<br />

in Ba<strong>mb</strong>erg) in: Soziale Welt, Heft 2/1983.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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