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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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samte Debatte. Die Ausweitung von Familienarbeit (Beck-Gernsheim 1984)<br />

<strong>und</strong> von ehrenamtlicher Sozialarbeit (Balluseck 1984) verspricht in dem<br />

Sinne zur Lösung von Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Fiskalproblemen des Staates beizutragen,<br />

daß der Rückzug verheirateter Frauen <strong>und</strong> Mütter vom Erwerbsleben<br />

den Arbeitsmarkt entlasten <strong>und</strong> die Beschränkung von Frauen auf die<br />

Familie die Eigenleistung von Haushalten erhöhen könnte. Und eben diese<br />

Erwartung der Erhöhung der „Haushaltsproduktivität" ist verräterisch: ist<br />

sie doch nur möglich durch die gesteigerte Arbeitsleistung von Hausfrauen,<br />

d.h. durch den unentgeltlichen Einsatz von Familienarbeitskraft. Analoges<br />

gilt für ehrenamtliche Sozialarbeit. Auch hier soll unentgeltliche Arbeit<br />

partiell verberuflichte Sozialarbeit ersetzen, dies im Rahmen der Forderung,<br />

die Familienhausfrau möge sich — quasi als Berufsersatz — für ehrenamtliche<br />

Sozialarbeit zur Verfügung stellen, sofern <strong>und</strong> sobald sie nicht (mehr)<br />

mit Erziehungsaufgaben, Altenversorgung <strong>und</strong>/oder Krankenpflege in der<br />

Familie ausgelastet ist.<br />

Es kann jedoch nicht darum gehen, das an Frauen gerichtete Ansinnen<br />

zu beklagen, sie möchten sich ehrenamtlicher Sozial- <strong>und</strong> Familienarbeit<br />

widmen, um B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> Kommunen von drängenden sozialen Problemen<br />

<strong>und</strong> Aufgaben zu entlasten, nur um für Ehefrauen einen Schonraum<br />

zu fordern, in dem sie frei von außerhäuslichen <strong>gesellschaftliche</strong>n Verpflichtungen<br />

leben können: nicht ganz zu Unrecht wird die (kinderlose) Ehefrau<br />

gelegentlich als „an unjustified financial bürden on the Community" bezeichnet<br />

(Cuvillier 1979). Vielmehr geht es um den Hinweis auf Tendenzen,<br />

daß sich — so im Rahmen der Selbsthilfe-Diskussion — unter progressiven<br />

Vorzeichen eine Verstärkung der tradierten geschlechtlichen Arbeitsteilung<br />

anbahnt: Verberuflichte Leistungen sollen in die Familie „zurückgeholt"<br />

oder in Nachbarschaftshilfe erbracht werden, der Ausfall (z.B. Schüler-<br />

Bafög) oder die Minderung (z.B. Mutterschaftsgeld) von Transferzahlungen<br />

durch unentgeltliche Familienarbeit ausgeglichen werden. Selbst wenn sie<br />

nicht ausdrücklich erwähnt werden, gemeint ist die Arbeit von Frauen.<br />

Und mehr noch: deren unentgeltliche Arbeit wird häufig den Selbsthilfe-<br />

Bestrebungen derjenigen zugeschlagen, die neue Formen der Arbeits- <strong>und</strong><br />

Lebensgestaltung erproben. Indirekt ist der Bezug auf unentgeltliche Frauenarbeit<br />

insofern, als das Selbsthilfe-Potential der Familie in einem Atemzug<br />

mit individueller Selbsthilfe genannt wird; aber immer handelt es sich<br />

um jene Familienleistungen, die traditionell von Frauen erbracht werden,<br />

zumeist auch in neuen Lebensformen. Nicht sich selbst sollen die Frauen<br />

helfen, sondern die Institution Familie stärken (1). Kritik gilt vor allem<br />

auch den Bestrebungen liberal-konservativer Politik, unter Berufung auf<br />

familiale Formen der „Selbsthilfe" <strong>und</strong> auf das Subsidaritätsprinzip die<br />

öffentlichen Haushalte sanieren zu wollen (2).<br />

Zu kritisieren ist jedoch noch ein zweiter Sachverhalt. In der konservativen<br />

Variante der Selbsthilfe-Diskussion wird unentgeltliche Frauenarbeit<br />

häufig als (kostengünstiges) Emanzipationspotential vorgestellt; der realen<br />

Entfremdung in der Arbeitswelt wird die Möglichkeit der Selbstverwirkli-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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