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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Zu 2: Verstehende Deutung<br />

Mindestens ebenso wichtig für die Unterstützung der kausalen Deutung ist<br />

das, was in qualitativen Untersuchungen häufiger mit der Forderung, die<br />

untersuchte Realität „von innen her" zu sehen, bezeichnet wird. Die Autoren<br />

der Marienthal-Studie versuchen dies 7 <strong>und</strong> werden darin durch ihren<br />

offenen Forschungszugang unterstützt. Manche Reaktionen, die von außen<br />

betrachtet als rätselhaft erscheinen mögen, verlieren diesen Charakter, wenn<br />

man sie zusammen mit dem betrachtet, was die Autoren über die Erfahrung<br />

der Arbeitslosigkeit 1931/32 in Marienthal schreiben. Die Draysche rationale<br />

Erklärung, die in ihrer Orientierung an der Perspektive der Handelnden<br />

eine enge Beziehung zu den am Verstehensbegriff orientierten Wissenschaftstraditionen<br />

hat 8 , hat hier ihren Stellenwert. Um nur ein Beispiel zu nennen:<br />

Aus der genaueren Analyse einer Reihe von biographischen Interviews ergibt<br />

sich, daß Zukunftspläne von den befragten Männern <strong>und</strong> Frauen selten<br />

gemacht werden (vgl. Jahoda u.a., 1975, S. 77). Und sofern Pläne erwähnt<br />

werden (meist Pläne zur Abwanderung), handele es sich „eher um beiläufig<br />

ausgesprochene Wünsche als um konkrete Pläne" (ebenda).<br />

Die Autoren interpretieren bzw. erklären: „Die kaum überwindlichen<br />

Schwierigkeiten einer individuellen Besserung der Notlage lassen diese Haltung<br />

verständlich erscheinen." (Ebenda) Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der an anderen<br />

Stellen des Buches genauer erläuterten Erfahrungen der Vergeblichkeit<br />

der Bemühungen um einen Arbeitsplatz (vgl. z.B. S. 93 f., S. 70 u.a.) werden<br />

Nicht-Handeln <strong>und</strong> Nicht-Planen also zu einem einleuchtenden Resultat<br />

der Abwägung zwischen Handlungszielen <strong>und</strong> wahrgenommenen Möglichkeiten<br />

der Zielverwirklichung.<br />

Wichtig ist jedoch, sich klar zu machen, daß die verstehende oder „rationale<br />

Erklärung" sich hier nicht auf den Einzelfall bezieht, sondern daß<br />

sie in eine zusammenfassende Betrachtung einer größeren Zahl von Fällen<br />

einbezogen ist. In den Begriffen Max Webers: 'Verstehen' heißt in diesem<br />

Fall „die deutende Erfassung" „des durchschnittlich <strong>und</strong> annäherungsweise<br />

gemeinten" <strong>und</strong> nicht „die deutende Erfassung des im Einzelfall real gemeinten"<br />

(Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, I, S. 7).<br />

Zu 3: Auseinandersetzung mit den kausalen Deutungen derer, die in die<br />

Untersuchung einbezogen sind<br />

Ein Beispiel für das Aufgreifen der Kausalinterpretationen der Untersuchten<br />

findet sich in der Marienthal-Studie im Zusammenhang mit der Darstellung<br />

<strong>und</strong> Interpretation der Veränderung der Lesegewohnheiten (Jahoda<br />

u.a., 1975, S. 57 f.). Bei dem Versuch, verständlich zu machen, warum trotz<br />

der Zunahme an freier Zeit weniger gelesen wird, greifen die Autoren auf die<br />

Selbstdeutungen der Befragten zurück. Als Erklärungen, denen sie häufiger<br />

begegnet seien, werden die folgenden Ausschnitte aus Gesprächen zitiert:<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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