07.03.2014 Aufrufe

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

— Wenn man die drei Technikfelder als Komponenten eines Gesamtprozesses<br />

auffaßt, läßt sich dann eine übergreifende Dynamik ausmachen?<br />

In Termini des Titels formuliert: Kommt es im Lauf der Zeit zu einer<br />

Verstärkung der Eigendynamik technischer Entwicklungen gegenüber<br />

Versuchen ihrer <strong>gesellschaftliche</strong>n Steuerung <strong>und</strong> Aneignung oder<br />

kommt es zu <strong>gesellschaftliche</strong>n Lernprozessen <strong>und</strong> zur Institutionalisierung<br />

öffentlicher Diskurse, damit vielleicht zu einem vernünftigeren<br />

Umgang mit einer augenscheinlich autonomen Technik<strong>entwicklung</strong>?<br />

3. Natürliche <strong>und</strong> soziale Substitutionsleistungen technischer Systeme<br />

Um die zeitliche Entwicklung technischer Systeme wissenschafts- <strong>und</strong> techniksoziologisch<br />

adäquat fassen zu können, schlagen wir also vor, zunächst<br />

die Geschichte ihrer natürlichen <strong>und</strong> sozialen Substitutionsleistungen (<strong>und</strong><br />

gegebenenfalls deren räumlicher Inzidenz) zu verfolgen. In äußerst verkürzter<br />

Form lassen sich die drei Technikfelder unter diesem Gesichtspunkt<br />

etwa folgendermaßen charakterisieren.<br />

In der Kerntechnik wird ein gewaltiger Schritt in Richtung eines Übergangs<br />

von der Nutzung in der Natur vorfindlicher Energieträger zur gezielten<br />

Konstruktion eines Energieträgers getan. Die Außerordentlichkeit dieses<br />

Vorgangs kann man sich daran klarmachen, daß er ausdrücklich verb<strong>und</strong>en<br />

wurde <strong>und</strong> wird mit der Vorstellung, zumindest in diesem Bereich<br />

könne es gelingen, ein an natürliche Knappheiten geb<strong>und</strong>enes Verteilungsproblem<br />

endgültig in ein Produktionsproblem zu überführen. In der Atomwirtschaft<br />

wird der Versuch unternommen, zahllose auf die Bereitstellung<br />

großer Energiequanten angewiesene Handlungskontexte weitgehend abzulösen<br />

von einer laufenden Brennstoffzufuhr aus vielen fossilen Energiequellen.<br />

Statt dessen wird in einem eigens dafür aufgebauten, äußerst komplexen<br />

Handlungsgefüge ein Energieträger konstruiert, industriell produziert<br />

<strong>und</strong> verwertet. In weit höherem Maß als in der Verwertung von öl<br />

oder Kohle wird in der verfügbaren Fissionstechnik, <strong>und</strong> zumal in Brüter<strong>und</strong><br />

möglicherweise bevorstehenden Fusionstechnologien, Naturgeschichte<br />

durch artifizielle Prozesse ersetzt — man kann auch sagen: durch ihre weitgehende<br />

Verwandlung in ein System von Artefakten wird Natur sozialisiert,<br />

in einem ganz bestimmten Sinn vergesellschaftet.<br />

Kerntechnik substituiert nicht nur natürliche (organische) Prozesse. Die<br />

produktionstechnischen Lösungen, die sie ermöglicht <strong>und</strong> erfordert, lassen<br />

zahlreiche menschliche Handlungssysteme entfallen oder verlegen sie in<br />

vorgefertigte kraftwerkstechnische Einrichtungen <strong>und</strong> Kontrollsysteme. In<br />

diesem Sinn werden menschliche Handlungssysteme durch materialisierte<br />

ersetzt. Theoretisch würde diese Entwicklung in der Schließung der Brennstoffkreisläufe<br />

in Form weitgehend integrierter <strong>und</strong> automatisierter Reaktor-<br />

<strong>und</strong> Wiederaufbereitungssysteme kulminieren, vorbereitet in der Idee<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!